Freitagabend war ich bei einer Freundin im Filstal zum italienischen Abend eingeladen. Bei Schinken und Käse aus Südtirol, Oliven und Wein aus Kalabrien, Wildkräutersalat und leckeren Holunderblütenküchle ließen wir es uns gut gehen. Wohlweislich habe ich gleich bei ihr übernachtet und den nächsten Tag zu einer kleinen Wanderung im Stauferland bei Schwäbisch Gmünd genutzt. Ursprünglich wollte ich die Buslinie 5 in Göppingen fahren, doch sie machte mich nicht so an, wie die Glaubenswege, die ich beim Googlen entdeckt hatte. Am nächsten Morgen, nach einem starken Espresso, ging es dann los!
Glaubenswege: Zehn Städte und Gemeinden aus den Landkreisen Ostalbkreis und Göppingen haben sich zusammengetan und bieten „reizvolle Wege für den Geist, die Seele, zum Wandern und Genießen“ an.
Meine Wanderung startet an der St. Laurentiuskirche in Waldstetten. Die kleine Gemeinde hat rund 7.100 Einwohner und liegt inmitten der Drei-Kaiser-Berge Stuifen, Hohenrechberg und Hohenstaufen im Ostalbkreis nah bei Schwäbisch Gmünd. Wenn man sich dem Ort nähert, sieht man schon von weitem die mächtige Basilika mit ihrem 38 Meter hohen Kirchturm in der Ortsmitte. Ich parke am Fuße der Kirche und laufe die Stufen zum Hauptportal hinauf. Auf der Nordseite entdecke ich eine Infotafel zu den Glaubenswegen. Übrigens sind die Glaubenswege kein kirchliches, sondern ein touristisches Projekt. Weil die Gegend durch eine große kirchliche Tradition und bis heute gelebte Volksfömmigkeit geprägt ist, haben sich zehn Städte und Gemeinde zusammengetan und die schönsten Wege zu Kirchen, Klöstern, Kapellen, Weg- und Feldkreuzen zu reizvollen Rundwanderungen ausgebaut. Allein auf der Gemarkung Waldstetten befinden sich acht Glaubenswege. Ich studiere die Tafel und bin guten Mutes, dass ich auch ohne Karte und Handy den Glaubensweg 5 finden werde. Vermisst habe ich nur einen Hinweis darauf, wie die Wege markiert sind.
Als erstes muss ich wieder die Stufen hinab zur Hauptstraße. Es ist Samstagvormittag, beim Bäcker werden schon emsig Brötchen und Laugenwecken über die Theke gereicht und vorm Blumengeschäft stehen die Geranien pflanzbereit in den Regalen. Nur beim Dönerladen ist noch nichts los. Ich folge der Straße durch den Ort, überquere den Rechbach und den Stoffelbach und glaubte mich daran zu erinnern, dass ich jetzt rechts abbiegen sollte. Ja, an der Straßeneinmündung „Schießwasen“ ist ein lila-schwarzes Zeichen am Pfahl angebracht. „Das muss der Glaubensweg sein“, denke ich und biege rechts ab. Schon erblicke ich auf der linken Seite das erste Wegkreuz. Ich folge der Straße aus dem Ort hinaus den Berg hinauf. Die Vögel zwitschern, es duftet nach frisch gemähtem Gras und Heu. Es ist ein herrlicher Morgen, die Sonne scheint vom himmelblauen Himmel. Allmählich wird mir richtig heiß, da vorne ist die Skihütte. Ich quere den Skihang und erreiche den Wald. Schatten und Kühle empfangen mich, dafür bin ich dankbar. Rechts weist ein Schild auf den für Wanderer gesperrten Flowtrail für Mountainbiker hin. Mein Weg führt geradeaus weiter den Berg hinauf, oben erwartet mich ein schönes Wiesental. Es geht am Startpunkt des Flowtrails vorbei, ein paar Meter weiter geradeaus befindet sich in einer Kurve ein steinernes Wegzeichen. Ich erkenne einen Wanderer, oder Pilger. „Wen es wohl darstellt?“, rätsle ich.
Nun, ich finde keine Antwort darauf, nicht vor Ort und auch später beim Googlen nicht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdecke ich jetzt einen modernen Aufkleber mit Glaubenswegkennzeichnung – er zeigt nach rechts bergab zu einem Bauernhof. Dem folge ich, der Weg führt quer durchs Gehöft. Es ist der Braunhof, neben der Haustüre steht eine alte Schnapsbrennanlage und weist darauf hin, dass hier heimisches Obst zu Hochprozentigem veredelt wird. Hinter dem Wohnhaus befindet sich ein Wegkreuz bei der Kuhweide. Idyllisch und ruhig ist es hier, ich schaue mich um und entdecke auf den Obstwiesen unterhalb ein Brautpaar. Was machen die denn hier? Holen sie sich Gottes Segen und pilgern vor der Hochzeit auf dem Glaubensweg? Nein, weit gefehlt, da ist die Fotografin, sie nutzen dieses idyllische Fleckchen für romantische Fotos. Gerne hätte ich ein paar Worte mit ihnen gewechselt, doch sie sind zu weit weg.
Mein Weg führt jetzt in einen lichten Nadelwald, er ist zunächst eben, dann geht es wieder leicht bergauf. Auf der Kuppe endet der Wald und es öffnet sich ein weites Feld, ich halte mich rechts und laufe bis nach Rechberg. Mein Weg führt die Hauptstraße entlang durch den Ort und kurz vorm Ortsausgang rechts ab zu einem weiteren Bauernhof, dem Klausenhof. Hier entdecke ich ein liebevoll gepflegtes Wegkreuz mit Blick auf den Stuifen.
Der Weg schlängelt sich jetzt immer steiler bergab, wieder durch einen Wald, plötzlich erblicke ich ein Reh vor mir … Ich halte inne, doch es hat mich schon gewittert und schwuppdiwupp ist es im Gebüsch verschwunden. Nach dem Waldstück folgen wieder Wiesen. Ich sehe Waldstetten wieder vor mir und schaue den Bauern noch ein paar Minuten beim Pressen und Wickeln der Rundballen zu, bevor ich die letzte Etappe antrete: am Friedhof vorbei ins Dorf zurück zur Kirche. Und siehe da, mein Brautpaar von vorhin ist auch schon da. Katja und Matze heißen sie, das verraten mir die Hochzeitsblättchen auf den Kirchenbänken… In Gedanken wünsche ich ihnen alles Gute und Gottes Segen für diesen wichtigen Schritt.
Tipp: Die Übersicht mit allen Streckeninfos zu meinem Wanderweg und dem richtigen Rundweg 5 findet ihr unter Glaubensweg 5.
Nachtrag: Guten Glaubens bin ich diesen Weg gegangen und habe nie daran gezweifelt, dass er falsch sei. Erst im Nachhinein beim Schreiben dieses Beitrags, habe ich gemerkt, dass ich zwar eine schöne Wanderung gemacht habe, aber so gar nicht die Rundwanderung 5. Mein größter Fehler lag darin, der lila-schwarzen Markierung zu folgens sie hat nichts mit den Glaubenswegen zu tun. Eigentlich sind die Glaubenswege recht eindeutig markiert… Aber es war trotzdem eine sehr schöne Wanderung.