Am Anger in Erfurt

Städtetrip nach Thüringen – Fahr mal Linie 5 in Erfurt

Suchst du ein interessantes Ziel für deinen nächsten Städtetrip? Dann mach es wie ich und entdecke Erfurt mit der Straßenbahnlinie 5. In diesem Blogpost begegnen wir der Maus und dem blauem Elefanten, Martin Luther und Willy Brand, schlendern durch die charmante Altstadt und erkunden Lost Places in Erfurt-Nord. Endstation: Zoopark Erfurt.

Von wo nach wo fährt die Linie 5 in Erfurt?

Die Linie 5 startet am Hauptbahnhof und führt durch die östliche Altstadt bis zum Zoopark im Norden der Stadt. Auf 6,5 Kilometern passiert sie 15 Stationen, und die Fahrt dauert etwa 20 Minuten. Doch für eine Entdeckungstour mit Spaziergängen und kleinen Pausen empfehle ich, dir einen halben Tag Zeit zu nehmen.

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Hauptbahnhof

Start am Hauptbahnhof Erfurt

Auf den Spuren von Willy Brandt

Der Erfurter Hauptbahnhof ist ein guter Ausgangspunkt für deine Stadtbesichtigung. Nimm den Ausgang Willy-Brandt-Platz und halte dich links. Doch bevor du in die Straßenbahnlinie 5 steigst, wirf einen Blick auf das Gebäude gegenüber. In großen Lettern prangt auf dem Dach „Willy Brandt ans Fenster“. Was es damit wohl auf sich hat?

Die Leuchtschrift erinnert an das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt und dem DDR-Ministerpräsidenten Willi Stoph im März 1970. Vor dem Hotel versammelten sich Tausende Menschen und riefen „Willy Brandt ans Fenster!“. Als er dem Ruf folgte, jubelte ihm die Menge zu – ein emotionaler Moment für Brandt und ein schwerer Schlag für die DDR-Regierung. Die Erfurter sehnten sich damals schon nach der Wiedervereinigung, die jedoch noch 20 Jahre auf sich warten ließ.

Zentrum und Altstadt

Auf den Spuren von Maus und Co

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Anger

Nach dem kurzen geschichtlichen Abstecher nehmen wir die Straßenbahn vom Hauptbahnhof und fahren ins Zentrum, zum Anger. Dieser belebte Platz ist das Herz der Stadt, mit vielen Geschäften und Passagen. Am Anger halten auch alle sechs Stadtbahnlinien von Erfurt, falls du mal umsteigen möchtest…

Unter den Bäumen entdecke ich die Maus und den blauen Elefanten. Was machen die denn hier? Nun, Erfurt ist die Heimat des Kinderkanals KiKA. 2007 kam man auf die Idee, die beliebtesten KiKA-Figuren in der Stadt aufzustellen. Bernd das Brot war die erste Figur, es folgten der Sandmann, Maus und Elefant, der Kobold Pittiplatsch und viele weitere. Inzwischen sind es 17, sie sind in der ganzen Stadt verstreut. Mit einer App oder einem Stadtplan kannst du dich auf Spurensuche begeben. Viel Spaß!

Auf den Spuren der Brückenkrämer und Waidhändler

Vom Anger ist es nur ein kurzer Spaziergang zur berühmten Krämerbrücke. Mit 120 Metern ist sie die längste durchgehend bebaute Brücke Europas. Beim Überqueren bemerkst du kaum, dass es eine Brücke ist – erst seitlich sieht man die Gera unter den Häusern fließen. Die Brücke ist ein beliebtes Fotomotiv und ein Muss für Erfurt-Besucher.

👣
Abstecher
Spaziergang durch die Altstadt

Erfurt war schon im Mittelalter eine bedeutende Stadt. Mit dem Anbau und Handel der Färberpflanze Waid (damit kann man Stoffe und Wolle blau färben) ist sie zu Geld gekommen. Das erfahre ich bei einer Führung durch die Innenstadt.  Erfurts Altstadt ist sehr gut erhalten und wurde seit der Wende aufwendig restauriert. Ich bin ganz geflasht von den vielen schönen Gebäuden in unterschiedlichsten Baustilen: Mittelalterliches Fachwerk steht neben  Renaissance und Jugendstil, und ja, auch das Bauhaus hat Spuren in Erfurt hinterlassen.

🚋
Tramlinie 5
Stadtmuseum/Kaisersaal

Von der Krämerbrücke aus erreichst du die  Stadtbahn-Haltestelle Stadtmuseum/Kaisersaal über die Futterstraße. Der Name der Straße ist übrigens Programm: früher wurden dort die Pferde mit Futter versorgt, heute gibt’s in der Straße und dem vorgelagerten Wenigemarkt interessante Cafés und Restaurants – von der Sterne-Küche bis zum Imbiss. Das Stadtmuseum ist in einem prächtigen Renaissance-Waidhändlerhaus untergebracht. Hier erfährst du alles über Erfurts reiche Geschichte und über das Wirken von Martin Luther in der Stadt. Dazu an der nächsten Haltestelle mehr.

Auf Martin Luthers Spuren

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Augustinerkloster

Von der Haltestelle Stadtmuseum/Kaisersaal bringt uns die Linie 5 weiter zur Station Augustinerkloster. Hättest du gewusst, dass Martin Luther in Erfurt seinen Weg als Mönch begann? In Wittenberg hat der Reformator seine 95 Thesen an die Kirchentür genagelt, doch in Erfurt wurde der Boden dafür bereitet. Und das kam so: Der damals 21-Jährige Luther studierte Rechtswissenschaften in Erfurt. Weil er in ein Sommergewitter kam und Todesängste ausstand, gelobte er Mönch zu werden. Es war der 17. Juli 1505, als Martin Luther an die Pforte des Augustinerklosters klopfte und um Aufnahme bat. Insgesamt studierte er die Bibel sechs Jahre im Augustinerkloster. Der Überlieferung nach hat Martin Luther viele schlaflose Nächte im Kloster verbracht, weil er sehr mit dem Glauben gerungen hat. 1511 wurde er nach Wittenberg berufen und nagelte dort im Jahr 1517 seine Thesen an die Kirchentür.

Das Augustinerkloster ist heute eine evangelische Tagungs- und Begegnungsstätte. Und während meines Erfurt-Aufenthaltes übernachte ich hier. Mein Zimmer befindet sich im Haupthaus. Es ist einfach, aber vollkommen ausreichend, eingerichtet: Bett, Nasszelle, Schreibtisch, Lampe, sogar ein Tablet gibt es. Eine Bibel liegt auf dem Schreibtisch, daneben zwei Postkarten. Auf der Vorderseite zeigen sie Motive des Klosters, die Rückseite enthält eine Einladung: „Wir nehmen Sie ins Gebet“. Wie, ins Gebet nehmen? Ich lese weiter… ich kann ich eine Bitte formulieren und wenn ich möchte, an die Pinnwand in der Kirche hängen. Mittags und abends werden die Fürbitten der Gäste dann mit ins Gebet genommen. Das ist eine schöne Geste, findest du nicht auch?

Wenn ich aus dem Fenster schaue, blicke ich in einen Innenhof und auf das Glasdach des Speisesaals. Die Klosteranlage besteht aus mehreren Gebäuden mit unterschiedlichen Baustilen. Mir gefällt die Mischung aus modern und alt. Im Kloster übernachten Tagungsgruppen und ganz normale Erfurt-Touristen. Beim Frühstück entdecke ich auch zwei Wanderer, die den Thüringer Lutherweg erkunden. Auch ich spüre hier die besondere Energie des Ortes.

Was gibt’s noch an der Haltestelle Augustinerkloster zu sehen?
Direkt gegenüber des Klosters liegt das AOK-Gebäude im Bauhaus-Stil und wenn du die Augustinerstraße Richtung Johannesstraße vorläufst, kommst du an einem netten Bistro mit dem schönen Namen „Abendbrot“ und dem Café „Wilder Man“ vorbei. Wie wild der Mann ist, der bedient, darfst du selbst entscheiden, aber der Kaffee ist prima, kommt aus Italien und gekocht wird mit Ökostrom.

Auf unbekannten Spuren im Erfurter Norden

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Salinenstraße bis Grubenstraße

Wo fängt denn jetzt der Erfurter Norden an? Nach der Haltestelle Augustiner Kloster erreichen wir den Halt Boyeneburgufer, das ist die letzte Haltestelle in der Innenstadt. Danach überquert die Straßenbahn den Gera-Flutgraben und folgt der Magdeburger Allee , an den Stadtwerken und der Lutherkirche vorbei bis zum Ilversgehofener Platz. Die Gegend verändert sich spürbar. Heruntergekommene Häuser und Baulücken tauchen auf, das sind noch Reste der Wendezeit. Ich spüre ein bisschen Anarchie in Erfurt., und es tut gut nach so viel aufgehübschter Altstadt!

Entdeckungen in Ilversgehofen

Ich steige an der Haltestelle Salinenstraße aus und lege den Weg bis zu übernächsten Haltestelle zu Fuß zurück. Entlang der Bahnschienen führt der Weg zu einem interessanten Wohnprojekt: dem „Stattschloss“. In diesem Wohnprojekt leben Menschen, die bewusst einen alternativen Lebensstil pflegen – eine kleine, kreative Enklave im Erfurter Norden.

Der Stadtteil Ilversgehofen hat seinen eigenen Charakter. Besonders auffällig sind hier die alten Malzwerke Erfurt, die die Skyline der Umgebung dominieren. Künstler und Kreative haben das Viertel zwischen Ilversgehofener Platz und Nordbahnhof längst für sich entdeckt, inzwischen entstehen auch viele neue Wohnungen.

Am Nordbahnhof hält zwar ein Zug, trotzdem wirkt er sehr verlassen. Genau solche Gegenden finde ich spannend – du auch?

Auf den Spuren der Erfurter Platte

An der Haltestelle Grubenstraße steige ich wieder in die Straßenbahn. Wir fahren zunächst durch ein moderneres Industriegebiet. Dann macht die Tram eine 90-Grad-Biegung nach links und kurz darauf wieder nach rechts und steuert die Plattenbausiedlung „Roter Berg“ an.  Dabei handelt es sich um eine relativ moderne „Platte“ aus den frühen 1980er-Jahren.

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Roter Berg

Zu DDR-Zeiten waren die Wohnungen sehr begehrt, doch nach der Wende verließen viele Anwohner das Wohngebiet. Inzwischen wurden einige Gebäude abgerissen, andere saniert und bemalt. Giraffen- und Zebralook zieren zwei Punkthochhäuser.

Ziemlich heruntergekommen wirkt das Einkaufszentrum Roter Berg. Geh mal hinein und vergleiche es mit der Nobeleinkaufspassage Anger 1. Du siehst und merkst den Unterschied sofort. Es sind diese Gegensätze, die Erfurt für mich so interessant machen.

[Anmerk. 10/24: das Einkaufszentrum Roter Berg wurde inzwischen abgerissen, ein neues wird gebaut, geplante Eröffnung Ende 2025).

🚋
Tramlinie 5
Haltestelle Zoopark

Auf den Spuren der Zootiere

Vom Roten Berg ist es nur noch eine Station bis zur Endhaltestelle Zoopark. Der Thüringer Zoopark Erfurt (so heißt er offiziell) erstreckt sich über 65 Hektar. Ganz schön groß. Etwas verlassen wirkt der Eingang, doch vielleicht liegt es nur daran, dass es schon Abend und der Zoo schon geschlossen ist. Leider habe ich für einen Besuch keine Möglichkeit mehr gehabt. Das hole ich dann beim nächsten Erfurt-Besuch nach!

Lohnt sich ein Städtetrip nach Erfurt? Mein Fazit

Erfurt wird zu Unrecht oft unterschätzt und lohnt sich. Eigentlich bin ich wegen der Bauhaus-Architektur nach Erfurt gefahren, richtig überrascht haben mich dann aber die schönen Jugendstilbauten, die KikA-Figuren und das Augustinerkloster! Und diese Gegensätze – von aufpolierter Innenstadt bis zu den rauen Rändern – machen Erfurt so faszinierend.

Praktische Tipps für deinen Erfurt-Besuch

🚋
Die Tramlinie 5
Alle Infos auf einen Blick

Die Übernachtung im Augustinerkloster würde ich jederzeit weiterempfehlen. Nimm dir ein wenig Zeit und beschränke deinen Besuch nicht nur auf die Altstadt. Die Stadt- und Klosterführungen sind sehr kurzweilig und helfen, das Gesehene richtig einzuordnen.
Täglich gibt es Führungen durch das Kloster.
Mit der ErfurtTravelCard 48 h (19,90 €) bist du zwei Tage mobil unterwegs und kannst kostenlos an der zweistündigen Altstadtführung teilnehmen. Außerdem hast du freien Eintritt in alle städtischen Museen.

Neu im Blog: Mein Besuch in Jena 2022

 

 

  1. […] Wer träumt nicht davon, dem Sandmännchen einmal selbst Gute-Nacht zu sagen? In diesem Jahr ganz eindeutig einheimisch und sehr deutsch! Das Sandmännchen entdeckt in Erfurt. […]

  2. […] Ab in die Tram 5 – meine Entdeckertipps für Erfurt […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert