Wegspotting könnte man das nennen, was wir gemacht haben. Trainspotter halten nach Zügen Ausschau, Ralph und ich nach dem HW 5. Unsere Sehnsucht nach dem Fernwanderweg war groß, an Wandern aber nicht zu denken. Dazu ist mein Mann nach dem Herzinfarkt leider noch viel zu schwach.
Doch das hielt uns nicht davon ab, unser altes Zelt hervorzukramen und zwei Tage am idyllischen Badsee bei Isny im Allgäu zu zelten. Und die letzten Kilometer des 311 Kilometer langen Fernwanderwegs mit kleinen Spaziergängen und dem Auto in Augenschein zu nehmen: das Wurzacher Ried, das Unterallgäu und der Schwarze Grat.
Wurzacher Ried
Tipp: Unbedingt mit dem Torfbähnle fahren und ins Torfmuseum gehen.
Von der Grabener Höhe kommend führt der HW 5 direkt ans Wurzacher Ried: Es ist eines der größten intakten Hochmoore Europas und steht unter Naturschutz. Mehr als 200 Jahre wurde im Ried Torf als Brenntorf, Streutorf, Gartentorf oder Badetorf gestochen. Einblick in die Entstehung und Sozialgeschichte des Moors geben ein Torfmuseum, das Torfbähnle und ein Torflehrpfad.
Mit dem Torfbähnle ins Moor
Wir haben Glück – an diesem Samstag rollen die Züge ins Moor. Ich freue mich riesig, dass es eine kleine Lok mit der Nr. 5 gab. Früher transportierten die Bahnen auf ihren Loren gestochene Torfstücke zum Trockenen in die Schuppen. Heute fahren mit dem Bähnle Besucher ins Moor. Unsere gemütliche Fahrt beginnt beim Torfmuseum und führt hinaus bis zu einem ehemaligen Haidgauer Torfwerk. Verrostete Kräne und Maschinen von der Verladestation stehen noch herum. Bei einem Halt an der Wendeschleife erfahren wir Interessantes über den Torfabbau, die Arbeit des Naturschutzes und den Bau der Torfbahn. Die Rentner des Heimatvereins von Bad Wurzach haben dieses Stück Geschichte mit viel Eigenleistung erhalten und erlebbar gemacht. Vielen Dank dafür.
Die Geschichte des Torfabbaus in Bad Wurzach
Zurück am Ausgangspunkt schauen wir uns noch ein bisschen im Museum um. Das, was wir eben gehört haben, wird ausführlich auf Infotafeln dargestellt. Außerdem kann man alte Maschinen und Werkzeuge bestaunen und den Märchen und Sagen rund ums Moor lauschen.
Gerne wären wir noch beim Wurzelsepp eingekehrt, doch die einstige Torfarbeiter-Kantine hatte leider geschlossen.
Torfmuseum und Torfbähnle
Die Bahn fährt von Frühling bis Herbst jeden Monat an zwei Tagen. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde. Es gibt drei Fahrten pro Tag: um 13.30 Uhr | 14.30 Uhr | 15.30 Uhr
Termine 2022: 14.08. & 27.08., 11.09. & 24.09.,9.10. & 22.10.
Museums-Sommerfest 07.08.
Kombikarte Museum und Bahn 5 € für Erwachsene, 2 € für Kinder bis 12
Das Torfmuseum ist von 13 bis 17 Uhr an den Fahrtagen geöffnet.
www.torfbahn.de
Neben dem Museum gibt es eine Gaststätte zur Einkehr. Es war früher die Kantine der Torfstecher.
Zum Wurzelsepp
Moor treten ist gesund für die Füße.
Moor treten, das ist die dreckige Variante des Kneippens.
Der Torflehrpfad ist rund ums Ried identisch mit dem HW 5 und führt direkt am Riedsee vorbei. Dort lädt ein Moortretbecken – das ist quasi die dreckige Variante des Kneipptretbeckens – zum Moortreten ein. Da musste ich doch glatt rein… Es fühlt sich etwas glitschig an – so wie beim Barfußpfad im Schlamm.
Ich stakse ein paar Runden, danach Beine abspülen und Schuhe wieder anziehen. Beim Weiterlaufen spüre ich, wie die Füße wohlig warm werden. Das sind die guten Eigenschaften des Moors, es wärmt und wirkt entzündungshemmend. Deshalb gibt es in Bad Wurzach auch Gesundheitsressorts, die spezielle Mooranwendungen anbieten.
Von Bad Wurzach ins Allgäu
Südlich von Bad Wurzach geht die Landschaft allmählich ins Allgäu über. Es folgen Gospoldshofen, Herbrazhofen und Leutkirch. Sanfte, saftig grüne Hügel schieben sich ins Bild, in den Senken finden sich kleine Moorseen und idyllische Badeplätze. An solch einem Badesee zwischen Leutkirch und Isny zelten wir. Ein netter Campingplatz bei einem Bauernhof.
Ich liebe es, am frühen Morgen meine Runden durch den See zu ziehen. Kuhglockengeläute weckt uns, das werte ich als untrügliches Zeichen dafür, das wir im Allgäu sind. Ein weiteres sind die ausgiebigen Regenfälle in der Nacht. Ja, deshalb ist es im Allgäu so schön grün. Und Gott sei Dank, unser Zelt ist dicht!
Familie Wagner vom Campingplatz hat einen netten Herzrundweg angelegt. Im Wald trifft dieser dann wieder auf den Hauptwanderweg 5.
Campingplatz
Der Campingplatz liegt direkt am Ufer des Sees. Der Badsee ist ein Moorsee, der sich durch sein braunes Wasser sehr schnell erwärmt und wohl auch Heil bringende Wirkung hat. Außerdem gibt es eine Surfschule und einen Bootsverleih. Wir haben gezeltet, die Schlaffässer auf dem Platz finde ich auch sehr cool. Ein idyllischer Campingplatz, bei dem man an jeder Ecke merkt, dass die Betreiber mit viel Herzblut dabei sind.
www.campingbadsee.de
Durch Wald und Wildnis zum Ziel: Der schwarze Grat in der Adelegg
Gut so: Mit dem Auto kommt man nicht auf den Schwarzen Grat
Das Ziel des Fernwanderwegs HW 5 ist zugleich die höchste Erhebung von Baden-Württemberg. Der Schwarze Grat ist 1.118 Meter hoch und liegt an der Grenze zu Bayern. Vorab geht es durch das waldreiche und recht unerschlossene Gebiet der Adelegg. Hier gab es früher Glasmacher, Bergbauern, Holzfäller, Jäger und Wilderer. Die Region wird wohl zu Recht auch das „dunkle Herz des Allgäus“ genannt.
Wir schleichen uns an der Berg heran und fahren mit dem Auto den Umweg über Bayern. Eine kleine Mautstraße führt zur Wenger Egg Alpe. Von dort sind es zwanzig Minuten zu Fuß bergauf. Den Aufstieg heben wir uns für später auf – wenn es Ralph wieder besser geht. An diesem Sonntag genießen wir den Ausblick auf den Schwarzen Grat und das bayerische Weißwurstfrühstück. Prost!
Infos Schwarzer Grat
1.118Meter hoch mit Aussichtsturm des Schwäbischen Albvereins.
Es gibt einen Erlebnisweg rund um den Schwarzen Grat. Wanderwege ab Bolsternang oder Wengen/Wenger Eggalpe.
So, das war das Beinahe-Finale des HW 5. Denn so richtig komplett wird das Projekt HW 5 für uns erst, wenn wir auch die letzten Kilometer gewandert sind. Wann das sein wird, ist heute noch nicht abzusehen. Doch wir geben nicht auf und halten dich auf dem Laufenden. Auf jeden Fall ist der HW 5 ein wunderschöner Fernwanderweg, der sich von Pforzheim quer durchs Ländle zieht. Er ist es allemal wert, entdeckt zu werden!
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