Kunst an der B5:
Zuhause bei Noldes

Farbexplosion in der monochromen Landschaft: Wohnhaus, Atelier und Garten von Emil Nolde

Seine Meisterwerke sind weltweit bekannt und hingen schon in der Hamburger Kunsthalle, im Frankfurter Städel und in der Pinakothek in München. Im hohen Norden der Republik sind wir auf Emil Noldes Wohnhaus und Atelier gestoßen. An der Bundesstraße B5 auf dem Weg nach Dänemark. Dort haben wir uns dem berühmten Maler von der privaten Seite genähert.

Zwischenstopp vor Dänemark

Wir kommen von Leck und sind auf dem Weg nach Dänemark. Kurz hinter Süderlügum weist ein Schild nach links: Nolde Stiftung Seebüll. Ralph, der schon einmal vor 40 Jahren dort war, nickt auf meinen Vorschlag, das Museum zu besuchen. Also verlassen wir die Bundesstraße 5 und folgen der Landstraße Richtung Westen. Es ist eine weite Landschaft mit Viehweiden, Gräben und hohem Schilfgras. Nur ab und zu ein Bauernhof. Dann folgt die Auffahrt nach Seebüll.

Wohnhaus, Atelier und Garten sind heute das Nolde Museum Seebüll

In Seebüll (Neukirchen) hat sich der Maler Emil Nolde zusammen mit seiner Frau Ada einen Traum verwirklicht: Ein Wohnhaus und Atelier errichtet und einen wunderschönen Garten mit Teich angelegt. Von 1927 bis 1956 lebte das Künstlerpaar in den Sommermonaten dort, im Winter zog es die Noldes nach Berlin. Nach seinem Tod wurde die Wirkungsstätte in eine Stiftung übergeben und in ein Museum umgewandelt. Nach dreijähriger Renovierung präsentiert sich 2023 das Nolde Museum Seebüll in neuer Pracht.

Unbedingt ansehen: Der Film über Emil Nolde

Wir starten die Besichtigung im Glasbau. Das Besucherforum beherbergt den Willkommensbereich, den Museums-Shop und die Gastronomie. In der oberen Etage ist eine Fotodokumentation der aufwendigen Renovierungsarbeiten zu sehen. Besonders interessant finde ich den Film „Maler und Mythos“ über Noldes Leben, seine Kämpfe und Visionen aufzeigend. Nolde muss wohl sehr überzeugt von sich und seinem Schaffen gewesen sein, ein Freigeist und expressionistischer Maler, der aber dennoch zeitlebens um Anerkennung rang. Bekannt war mir, dass seine Kunst im Dritten Reich als „entartet“  aussortiert wurde und der Maler Berufsverbot bekam. Neu dagegen lernte ich, dass Nolde ein Antisemitist, Rassist und ein Verehrer von Hitlers Politik war. Lange wurde diese Seite des Künstlers unter den Teppich gekehrt. Erst seit Beginn des Wirkens des aktuellen Direktors Dr. Christian Ring wird offen damit umgegangen.

Ein Garten zum Malen

Mit diesem Wissen und diesen Eindrücken schlendern wir anschließend durch den Garten zum eigentlichen Wohnhaus mit Atelier. Es ist Ende Juni und noch haben die Blumenbeete ihre volle Farbenpracht nicht erreicht.

Doch Rittersporn und Fingerhut strahlen schon in leuchtendem Blau und Violett und überragen die übrigen Blüten. Die letzten Pfingstrosen und der rote Mohn blühen noch, später im Sommer gesellen sich die heiteren Gelbtöne der Sonnenblumen und die in allen Farben leuchtenden Dahlien dazu. Nolde malte wohl oft direkt mit der Staffelei zwischen den Blumen stehend. Im Garten gibt es auch ein kleines gelb gestrichenes, mit Reet gedecktes Gartenhäuschen. Dort hielt sich das Ehepaar regelmäßig auf, trank Tee und genoss die Zweisamkeit. Nett finde ich die Idee, dass der Weg durch den Garten den verschlungenen Initialen des Paares – E und A – folgt.

Das Haus: Modern und schnörkellos im Bauhaus-Stil

Das Wohnhaus liegt auf einer kleinen Anhöhe. Es ist ein Klinkerbau ohne Schnörkel. Anordnung und Reihung der Fenster sind im Stil der neuen Sachlichkeit und des Bauhaus.

Drinnen erwartet den Besucher dann eine Farbexplosion. Jeder Raum wurde in einer kräftigen Farbe gestrichen: azurblau der Flur, leuchtend orange das Esszimmer, gelb das Wohnzimmer. Emil Nolde hatte die Wandfarben einst selbst ausgesucht und jetzt nach der Renovierung kann man wieder erkennen, wie intensiv die Farben ursprünglich waren. Die Wände vom Atelier und Bildersaal sind dann zurückhaltender in weiß gehalten. Denn hier hängen ja die farbenfrohen Werke des Malers.

Emil Noldes religiösen Bilder im Atelier

Im ehemaligen Atelier, das zu Lebenszeiten nur der Künstler betreten durfte,  wird ein Hauptwerk Noldes gezeigt: „Das Leben Christi“ von 1911/12 setzt sich aus neun Einzelbildern zusammen und thematisiert Stationen im Leben des Heilands. Sehr gut gefallen mir auch die anderen Werke mit biblischen Motiven wie die „Philister“, „Verlorenes Paradies“ und „Pharaos Tochter findet Moses“.

 Der Bildersaal ist das Herzstück des Hauses

Der Bildersaal ist das Herzstück des Wohn- und Atelierhauses. Hier saß Nolde mit ausgewählten Gästen oft zusammen und begutachtete seine Werke. Er gruppierte sie und stellte sie neu zusammen, unterzog sie seiner eigenen kritischen Prüfung. Diesen Gedanken greifen die Jahresausstellungen auf. Die diesjährige Ausstellung trägt den Titel „Zurück Zuhause, Emil Nolde – Welt und Heimat“ und zeigt 130 Werke aus allen Schaffensphasen: Ölgemälde, Aquarelle und Druckgrafiken von Noldes norddeutscher Heimat, der Südseereise, aus Italien und Russland.

Wer war Emil Nolde?

Beim Rundgang durchs Haus wird mir klar, dass Nolde eine vielschichtige Persönlichkeit war. Auf der einen Seite ist da der Avantgardist und Künstler der Moderne, der einen neuen radikalen Malstil prägte. Die Intensität und Leuchtkraft der Farben haut mich um und er ist zweifelsohne ein Farbmagier. Sein Wohnhaus im Bauhausstil unterstreicht die avantgardistische Seite. Doch blitzt auch immer wieder der bodenständige Bauernsohn durch, der den Tieren und der Landschaft im hohen Norden zeitlebens sehr verbunden war. Die Einrichtung im Wohnzimmer mit Topfpflanzen auf dem Fenstersims kommt ein bisschen bieder daher. Und obwohl sein Malstil von Hitler nicht anerkannt wurde, war er dennoch ein Verehrer dessen Politik.

Was soll ich jetzt davon halten? Gar nicht so einfach, sich ein abschließendes Urteil zu bilden. Aber muss ich das denn? Nachdem bekannt wurde, dass Nolde Nationalsozialist war, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel 2019 zwei Werke aus dem Kanzleramt entfernen und trat damit eine Diskussion darüber los, ob man Kunst und Person bzw. persönliche Überzeugung voneinander trennen solle. Was meinst denn du?

Ein Besuch im Nolde Museum Seebüll lohnt auf jeden Fall.  Ich finde es immer interessant, in die Privatsphäre berühmter Künstler einzutauchen. Und dass man vielleicht mit unbequemen Fragen konfrontiert wird, gehört zum Kunst-Reise-Risiko dazu!

Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde /Nolde Museum Seebüll
 

Forschungszentrum und Ausstellungshaus rund um den expressionistischen Maler

Geöffnet: 1. März bis 31. Oktober, täglich 10 bis 18 Uhr
Eintrittspreis: Erwachsene 12 €, ermäßigt 8 €
Aktuell zu sehen: Zurück Zuhause. Emil Nolde. Welt und Heimat
Für wen? Gartenliebhaber, Kunst- und Architekturinteressierte und Hobbymaler
Hinkommen: Seebüll 31, 25927 Neukirchen
Mein Tipp: Freitags bei Nolde, ab 18 Uhr Afterwork mit Cocktails und Musik in der Museums-Gastronomie Element ohne Eintritt. Gelegentlich gibt es kleine Extra-Events, wie eine Lesung, eine Yoga-Einheit, einen DJ etc.
Infos: https://www.nolde-stiftung.de/


Die Bundesstraße B 5 – 555 Kilometer lang

Warum findest du diesen Beitrag auf meinem Blog? Nun, das Nolde Museum liegt nur zehn Autominuten von der Bundesstraße B 5 entfernt. Diese beginnt an der dänischen Grenze (Böglum / Sæd) und führt über Hamburg und Berlin bis zur polnischen Grenze bei Frankfurt an der Oder. Die Fernstraße ist 555 Kilometer lang und hat eine interessante Geschichte. Das Nolde Museum ist quasi das erste Highlight nahe der dänischen Grenze. Den weiteren Verlauf der B5 werde ich sicherlich auch noch abfahren und darüber berichten.

  1. Spannend! Ich hatte die Diskussion damals mitbekommen, als die Werke aus dem Bundeskanzleramt entfernt wurden. Dennoch sind seine Bilder faszinierend und das Museum kommt auf meine Liste.

    Nur eins: Entweder Neue Sachlichkeit oder Bauhaus. Niemals beides. Bauhaus ist es nur, wenn ein Bauhausmeister oder -schüler:in das gebaut hat und dann nach den Prämissen der Bauhausschule (ohne Backstein – kenne kein Bauhausobjekt mit Backsteinen). Auch online findet man: es ist an die Designs und Ideen angelehnt.

    Sorry, ist mein Spezialgebiet und Leidenschaft, konnte nicht anders.

    • Hallo Romy,
      kompetente Leser mag ich sehr. Für mich ist Bauhaus ein Teil der neuen Sachlichkeit. Klar, es ist kein reines Bauhaus-Haus. Danke für den Hinwies und auch für deine Bewertung von Noldes Arbeiten. Grüße Heike

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