Paris im Hochsommer? Paris zur Olympiade? Never ever! Zumindest dachte ich das im Frühjahr. Die Gründe gegen Paris 2024 schienen eindeutig: zu heiß, zu teuer, viel zu überlaufen… Doch dann sah ich die ersten Bilder vom Eiffelturm und spürte die großartige Atmosphäre förmlich durch den Fernseher. Als schließlich noch ein günstiges Hotelangebot auf meinem Smartphone aufpoppte, war es um mich geschehen. Kurzentschlossen buchte ich am Sonntag Unterkunft und Bahntickets – und verbrachte von Mittwochmorgen bis Donnerstagabend 36 unvergessliche Stunden in Paris!
Ankunft am Gare de L`Est
Um 7:32 Uhr fuhr ich mit dem TGV ab Karlsruhe los und war knapp drei Stunden später in Paris. Am Gare de l’Est angekommen, nahm ich mir einen Moment Zeit, um mich umzuschauen und die geschmückten Säulen am Eingang zu bewundern. Dann ging es hinunter zur Metro. Zum Glück hatte ich während der Zugfahrt die Paris-Nahverkehrs-App heruntergeladen und mir ein Zwei-Tages-Ticket für die Metro besorgt. So konnte ich entspannt an der langen Schlange vom Fahrkartenkauf vorbeigehen.
Mein Hotel lag in der Nähe der Bastille/Opéra an der Metrolinie 5. Bis zum Einchecken wollte ich in einem der ältesten Schwimmbäder von Paris noch eine Runde schwimmen. Schon bei meinem letzten Besuch hatte ich das vorgehabt, aber damals war das Piscine de la Butte aux Cailles leider geschlossen.
Besuch im 100 Jahre alten Schwimmbad
Also rein in die Metrolinie 5 und südwärts bis zur Endstation. Die Strecke ist mir inzwischen vertraut und die Durchsagen der Haltestellen fühlten sich fast schon wie ein Nachhausekommen an: République, Oberkampf, Richard-Lenoir, Bastille, Quai de la Rapée und dann mein Lieblingsabschnitt über die Seine. Nach weiteren zehn Minuten erreichte ich den Place d’Italie. Im Einkaufszentrum Italie Deux besorgte ich mir noch schnell eine Badekappe. Vom Hinterausgang waren es dann nur zehn Minuten zu Fuß bis zum Schwimmbad, das dieses Jahr übrigens seinen 100. Geburtstag feiert.
Wie mein Besuch dort war und welche Unterschiede mir im Vergleich zu deutschen Schwimmbädern aufgefallen sind, erzähle ich ausführlicher in einem separaten Beitrag.
Auf jeden Fall war das Schwimmen herrlich erfrischend. Überhaupt mag ich dieses Viertel mit seinem dörflichen Charakter. Es ist so entspannt.
Auf zum Eiffelturm, dem Zentrum von Paris Olympia 2024
Nach meinem Schwimmbadbesuch machte ich mich auf den Rückweg, wieder mit der Linie 5, diesmal bis zur Station Quai de la Rapée, um im Hotel einzuchecken. Gegen halb vier brach ich dann Richtung Eiffelturm auf, um mich voll in den Trubel von Olympia 2024 in Paris zu stürzen.
Dazu wechselte ich an der Haltestelle Oberkampf von der Linie 5 in die 9, mit der ich bis zur Metrostation Léna fuhr. Sie liegt ideal zwischen dem Trocadéro und dem Eiffelturm. Schon am Treppenaufgang der Metro wurden wir von hilfsbereiten Freiwilligen freundlich empfangen und direkt zum Haupteingang des Champions-Park geleitet. Leider war die Arena gerade voll (zur Orientierung: sie fasst 13.000 Personen), sodass wir etwa eine Stunde auf den Einlass warten mussten. Doch die Stimmung war fantastisch – alle waren gut gelaunt, entspannt und keineswegs ungeduldig oder aggressiv. Ich beobachtete meine Nachbarn zu beiden Seiten und versuchte zu erraten, woher sie kamen – Deutsche, Franzosen, Italiener, Japaner…
Der Parc des Champions am Trocadéro
Einen echten Wow-Moment erlebst du, wenn du das Trocadéro-Gebäude passierst und zum ersten Mal den Eiffelturm in voller Pracht vor dir siehst. Sofort zückten alle ihr Smartphone, fotografierten und machten Selfies, was das Zeug hielt. Natürlich konnte auch ich nicht widerstehen!
Der Parc des Champions war wirklich genial ausgewählt und die perfekte Kulisse. Ich beschloss, bis zum Sonnenuntergang im oberen Bereich zu bleiben, deckte mich mit Bier und Snacks ein und fand einen Liegestuhl in der ersten Reihe mit freiem Blick auf einen großen Bildschirm.
Links neben mir saß ein Vater mit seiner Tochter aus Portugal, rechts ein Ehepaar aus Deutschland. Die Atmosphäre war locker und freundlich, und wir alle genossen gemeinsam diesen magischen Abend unter dem funkelnden Eiffelturm.
Paris Olympia 2024: Jubelnde Massen und ein unvergesslicher Abend
Frenetisch feierten die Franzosen den Basketballsieg über Deutschland, und die Stimmung erreichte einen ersten Höhepunkt. Danach fieberten wir alle gemeinsam mit den Leichtathleten im Stade de France mit.
Je später der Abend, desto ausgelassener wurde die Stimmung. Als dann zwei DJs anfingen, der Menge einzuheizen, konnte auch ich nicht länger im Liegestuhl bleiben. Ich bahnte mir den Weg hinunter in die Arena. Wir zählten gemeinsam den Countdown mit, tanzten, jubelten und berauschten uns an der einmaligen Atmosphäre.
Irgendwann gegen Mitternacht, als noch Boxkämpfe auf den Bildschirmen übertragen wurden, machte ich mich auf den Rückweg ins Hotel. Todmüde fiel ich ins Bett und wurde schon um halb sechs wieder geweckt. Raus aus den Federn, ich wollte ja rechtzeitig beim Freiwasserschwimmen an der Seine sein. Meine Kopfschmerzen ignorierte ich erst einmal.
Freiwasserschwimmen in der Seine
So brachte mich die Metrolinie 5 am frühen Morgen bis zum Gare d’Austerlitz, wo ich in den Regionalzug RER wechselte. Der Umstieg war übrigens perfekt ausgeschildert, sodass ich keine Mühe hatte, den Weg zu finden. Ich staunte, wie viele Zuschauer sich schon auf den Weg machten – gemeinsam strömten wir an die Seine, um das Freiwasserschwimmen zu verfolgen.
Ausführlich war ja im Vorfeld bereits über die Wasserqualität diskutiert worden, und ehrlich – sehr sauber sah die Seine nicht aus. Ich fand einen guten Platz nahe der Brücke „Pont Alexandre III“. Die Energie und Spannung in der Luft waren greifbar, während die Athletinnen sich auf den Wettkampf vorbereiteten. Darunter auch die beiden Deutschen Leonie Beck und Leonie Märtens. Nach dem Start spazierte ich am Flussufer entlang bis zum Wende- und Versorgungspunkt der Strecke und bewunderte, wie die Schwimmerinnen aus der Kraulbewegung heraus nach den angereichten Getränkeflaschen griffen, einen Schluck nahmen, die Flaschen dann wegwarfen und ohne Pause weiterkraulten.
Leider wurden meine Kopfschmerzen schlimmer, sodass ich mich entschloss, den Sieg nicht abzuwarten. Stattdessen fuhr ich zurück zum Hotel und legte mich noch einmal hin, um etwas Schlaf nachzuholen.
Spaziergang auf dem Coulée Verte zu einer kleinen Fanzone
Danach fühlte ich mich besser. Ich checkte aus und deponierte mein Gepäck im Hotel. Da ich mich jedoch nicht direkt ins Getümmel stürzen wollte, entschied ich mich für einen entspannten Spaziergang entlang der Coulée verte René-Dumont. Dieser grüne Weg, der auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke verläuft, führte mich zu einer kleinen, gemütlichen Fanzone am Jardin de Reuilly – Paul Pernin. Wie nett war es dort! Wäre mir noch ein Abend in Paris vergönnt gewesen, hätte ich ihn hier zusammen mit den Leuten der Nachbarschaft verbracht.
Im Schatten der Bäume aß ich einen frischen Salat und machte mich dann auf den Rückweg zum Place de la Bastille. Schließlich stand noch ein Besuch der größten Fanzone der Olympiade im Norden der Stadt auf meinem Plan.
Aus dem Parc de la Villette wird der Park der Nationen
Nach einer halbstündigen Fahrt mit der Linie 5 erreichte ich die Porte de Pantin, mein Tor zum Park der Nationen. Im Parc de la Villette hatten elf Länder ihre Häuser der Gastfreundschaft errichtet, um Besuchern die Möglichkeit zu bieten, gemeinsam Wettkämpfe zu verfolgen, Sport zu treiben und in andere Kulturen einzutauchen. Ich schlenderte entlang der Hauptachsen des 55 Hektar großen Geländes und besuchte den Pavillon der Ukraine, das Olympic House of Canada und die mongolische Fanzone. Leider reichte die Zeit nicht für mehr. Die größte Fläche beanspruchte der Club France, und auch die Niederlande hatten hier, im Norden von Paris, ihre Fanbase in leuchtendem Orange errichtet.
Und plötzlich ist Olympia ganz weit weg
Als erstes besuchte ich den Pavillon der Ukraine. Er war relativ klein, gut versteckt und noch besser bewacht. Ruhig und beschaulich ging es dort zu. Auf dem Screen wurde gerade das Gewichtheben der Frauen (bis 59 kg) mit der Ukrainerin Kamila Konotop übertragen. Im Inneren des Pavillons spielte ein Musiker auf der Geige, und anschließend lief ein Dokumentarfilm des französischen Publizisten und Journalisten Bernard-Henri Lévy. Der Film zeigt verschiedene Schauplätze an der Kriegsfront. Für eine halbe Stunde ließ ich mich darauf ein und war plötzlich gedanklich ganz weit weg von Olympia, mitten im Kriegsgeschehen zwischen Ukrainern und Russen. Ich sah Soldaten in Schützengräben, Drohnenmanöver und einstürzende Häuser.
Wieder draußen, unterhielt ich mich mit einer jungen Frau, die zum Team Ukraine gehört. Sie erzählte mir, dass man den Krieg schnell vergesse, selbst ihr gehe es so nach 14 Tagen in Paris, weit weg von daheim. „Das hier ist eine andere Welt.“ Mit ihrem Pavillon wollen sie gegen das Vergessen ankämpfen und zum Nachdenken anregen. Ich fand das beeindruckend und auch die Tatsache, dass es ukrainische Sportler gibt, die trotz allem trainierten und an den Olympischen Spielen teilnahmen. Mit zwölf Medaillen kehrten sie am Ende in ihre zerstörten Stadien zurück. „Volia“, das Motto des Pavillons, bedeutet übrigens Wille und Freiheit.
Kanada, mal ganz anders
Szenenwechsel: Wenn ich an Sportarten in Kanada denke, kommen mir spontan Eishockey, Football oder Golf in den Sinn. Breakdance hätte ich nicht erwartet. Doch der kanadische B-Boy Philip Kim alias Phil Wizard gewann am 10. August die Goldmedaille im Breaking bei Olympia 2024 in Paris. Einen Vorgeschmack auf das Breaking erlebte ich am Donnerstag im Olympic Canada House. Zur Musik von „Ain’t No Stoppin‘ Us Now“ zeigten eine Frau und mehrere junge Männer ihre beeindruckenden Moves, angefeuert von zwei älteren Herren der Szene, den Canadian Floormasters (CFM). Schade, dass Breaking als olympische Disziplin nur diesen einmaligen Auftritt in Paris hatte.
Mein Streifzug durch den Park führte mich anschließend noch am indischen, slowenischen und mongolischen Haus vorbei. Es war eine bunte Party aus Sport, Kultur und Kulinarischem.
Gerne wäre ich noch länger geblieben, doch gegen halb sechs musste ich die Metro Linie 5 nehmen, um zurück in die Innenstadt und zum Hotel zu gelangen. Gepäck abholen und ein letztes Getränk im Café. Fast auf die Minute genau 36 Stunden später, um 19:06 Uhr, stieg ich wieder in den Zug – dieses Mal war es ein ICE.
Resümee
Dazu haben viele Aspekte beigetragen: Die unzähligen Olympia-Volunteers, die stets gut gelaunt waren und jedem Besucher hilfsbereit zur Seite standen, das hervorragend ausgeschilderte Wegeleitsystem, das nicht nur an den Bahnhöfen und in der Metro, sondern auch bei den Sportstätten den Weg wies, und die zahlreichen zusätzlichen Auskunftspersonen für den öffentlichen Nahverkehr in Paris. Auch die gut funktionierenden Paris24- und Paris24-Transport-Apps haben dazu beigetragen, dass ich mich problemlos orientieren konnte. Besonders bemerkenswert war das entspannte und freundliche Publikum, das selbst in Warteschlangen nie aggressiv wurde.
Einzig schade fand ich, dass das Deutsche Haus nicht im Park der Nationen war, wo auch Frankreich, die Niederlande, Kanada und viele andere vertreten waren, sondern am anderen Ende der Stadt. Dadurch fehlte mir leider die Gelegenheit, auch bei Team Deutschland vorbeizuschauen.
Trotzdem war Paris 2024 für mich ein rundum gelungenes Erlebnis, das meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat. Ich bin glücklich, ein winziger Teil dieses Pariser Traums gewesen zu sein.
Für die kommenden Paralympischen Spiele wünsche ich mir genauso viel Aufmerksamkeit, denn auch diese Sportler leisten Herausragendes. Vielleicht würde man ihnen noch mehr gerecht werden, wenn diese Spiele zuerst stattfinden würden und nicht erst im Nachgang, wenn die Begeisterung bereits abgeklungen ist.
Und nun übergebe ich die Fackel an Los Angeles – see you in 4 years!