[update 07.02.2024] Paris beheimatet die größte Chinatown Europas, und jedes Jahr findet im 13. Arrondissement eine beeindruckende Parade zum Chinesischen Neujahr statt. Begleite mich in die Straßen südlich vom Place d‘ Italie – dem Endpunkt der Metrolinie 5 in Paris. Ich beschreibe dir, wie ich die Neujahrsparade 2023 erlebt habe. In diesem Jahr findet sie übrigens am 18. Februar statt.
Es ist Sonntag, der 29. Januar 2023. Mit zwei Stunden Verspätung komme ich um halb eins im Gare de L‘ Est an. Dort steige ich in die Metrolinie 5 Richtung Place d’Italie um und bin zwanzig Minuten später schon am Ziel. Der Place d‘ Italie begrüßt mich wie ein alter Bekannter, denn ich habe den Ort schon öfter besucht und die Viertel Buttes aux Cailles und Salpêtrière erkundet. Ich durchquere das Halbrund und folge den Neujahrsfähnchen, die die Laternenpfähle schmücken.
Viele Menschen sind unterwegs, und ich reihe mich einfach in den Strom der Passanten ein. Je weiter wir die Avenue de Choisy hinunterkommen, desto voller wird es. Vor den asiatischen Restaurants bilden sich lange Schlangen mit Menschen, die das Jahr des Wasserhasen mit einem köstlichen vietnamesischen, thailändischen oder chinesischen Menü feiern möchten.
Die Chinesische Neujahrsparade beginnt um 14.30 Uhr an der Avenue d’Ivry. Sie führt dann über die Avenue de Choisy und den Boulevard Massena, bevor sie zur Avenue d’Ivry zurückkehrt.
Chinesische Neujahrsparade in Paris
An der Kreuzung Rue de Tolbiac kommt es zu einem Stau, und ein Weiterkommen zur Avenue d’Ivry ist unmöglich. Also versuche ich es um den Block herum und über die Rue de Beaudricourt. Rechtzeitig zum Beginn der Neujahrsparade gelingt es mir, bis zur sechsten Zuschauerreihe an der Avenue d‘ Ivry vorzudringen. Zum Glück sind die meisten Franzosen und Asiaten etwas kleiner als ich, sodass ich – wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle – über sie hinwegsehen kann.
Trommelwirbel für die Drachentänzer
Die chinesische Neujahrsparade beginnt mit viel Trommelwirbel und Geböller. Eine gelbe Drachenschlange windet sich über unseren Köpfen durch die Straße. Smartphones werden gezückt, und alle Hände gehen hoch, um dieses beeindruckende Spektakel festzuhalten.
Ich wechsle noch einmal den Platz. Ein paar Meter weiter scheint die Sicht besser zu sein. Was für ein Geschiebe und Gedränge, „tout Paris“ ist auf den Beinen. Mir fällt auf, dass trotzdem alle Zuschauer sehr höflich sind, Rüpeleien gibt es nicht!
Bonne année
In diesem Jahre haben sich – nach dreijähriger Corona-Pause – mehr Gruppen denn je angemeldet. Der Umzug ist ein Spektakel der Farben. Gold, Gelb, Rot und Pink dominieren. Und immer wieder ertönt Trommelwirbel und Geböller. Bei besonderen Tänzen und Schwert-Vorführungen applaudieren die Zuschauer und rufen „Bravo“. „Bonne année santé“ schallt es zurück. Die älteren Männer wirken meist würdevoll und ernst, während die jungen Mädchen freundlich lächeln. Als Laie ist es schwer zu erkennen, ob es sich um chinesische, vietnamesische, kambodschanische, tibetische oder mongolische Trachten handelt.
Auf jeden Fall ist diese Parade so bunt und schön wie der Karneval in Köln oder Mainz. Und doch ganz anders. Während beim Karneval Verkleidungen aus Spaß getragen werden, präsentieren die ethnischen Gruppen bei diesem Defilée stolz ihre vielfältige Kultur und ehren ihre Herkunft und Wurzeln. Flucht und Immigration haben sie aus allen Teilen Asiens in den Pariser Süden geführt, und das Quartier Asiatique im 13. Arrondissement ist für sie zu einer zweiten Heimat geworden.
Les Olympiades – Hochhausarchitektur der Siebziger
Nach der beeindruckenden Parade schlendere ich durch das Viertel und werfe einen Blick auf die spezielle Hochhaus-Architektur von „Les Olympiades“. Ursprünglich wurden die Wohntürme, die Cortina, Helsinki, London und Mexiko heißen, in den 1970er-Jahren für junge, aufstrebende Franzosen gebaut. Die wollten hier aber nicht wohnen, also ließen sich in ihnen Immigranten aus den chinesischen Provinzen und die „Boatpeople“ aus Vietnam und Kambodscha nieder. Im Lauf der Jahre entstand das größte Chinatown Europas, im 13. Arrondissement leben über 200.000 Asiaten.
Hochhäuser schmücken auch die andere Seite der Avenue d‘ Ivry. An der Ecke Via d ‚ Esté habe ich dieses Mural entdeckt.
Gewusel und Gedränge bei Tang Frères
Ein Besuch im chinesischen Viertel ist ohne einen Abstecher zu Tang Frères nicht komplett. Die Brüder Tang betreiben den ältesten und größten asiatischen Supermarkt in Paris. Er befindet sich auf der Innenfläche eines der Hochhäusercarrées von Les Olympiades.
Der Eingang ist an diesem Tag mit rosafarbenen Blüten und mit dem Bild des weißen Hasen geschmückt und der Selfie-Point schlechthin. Gewusel und Gedränge herrscht auch drinnen, nach der Parade scheint jeder hier einkaufen zu wollen.
Und dann das Sortiment! Drachenfrüchte, Kiwi, Bananen, Nashi-Birnen, drei lange Regalwände mit asiatischen Nudeln, auf der anderen Seite Gewürzsoßen. In den Kühlregalen stapeln sich Plastikschachteln mit neonfarbenen, glibberigen Lebensmitteln während an der Fischtheke silbrig glänzendes Meergetier auf Eis liegt. Allein das Umschauen macht Spaß, schließlich kaufe ich ein paar Neujahrskekse, eine Sojasoße, Litschis und gezuckerte Wasserkastanien. Die Kassiererinnen sind unheimlich flink und ich würde gern wissen, wie viel Umsatz sie allein an diesem Nachmittag machen. Die Tang Brüder sind ein Paradebeispiel für asiatische Geschäftstüchtigkeit. Ihre Erfolgsgeschichte begann 1976, und heute betreiben sie über zehn Supermarkt-Filialen und sechs Gourmet-Imbisse in der Île-de-France. Es ist wohl auch kein Zufall, dass sie der Hauptsponsor dieser chinesischen Neujahrsparade sind.
Hase oder Katze, welches Jahr ist es denn nun wirklich?
Wieder auf der Avenue d‘ Ivry bewege ich mich langsam Richtung Place d‘ Italie zurück. Es sind immer noch viele Menschen unterwegs. Die Kinder laufen mit ihren Luftballons umher, die einen schmücken den Hasen (schließlich begrüßen wir das chinesische neue Jahr des Wasserhasen), die anderen zeigen Katzen. Doch warum diese Unterschiede? Nun, für die Vietnamesen ist 2023 das Jahr der Katze, den Hasen kennen sie in ihrem Mondkalender nicht.
Thailändisches Bier und vietnamesische Suppe
Die Warteschlangen vor den Restaurants haben sich inzwischen gelichtet und so ergattere ich einen Platz im Restaurant Poh Dau Bo. Mit einem thailändischen Bier und einer vietnamesischen Poh-Suppe beschließe ich diesen Tag und trete gestärkt die Heimfahrt an.
Resumée
„Wenn ich schon nicht nach China reisen kann, dann schaue ich mir wenigstens die Neujahrsparade in Paris an.“ Dieser Gedanke war der Ausgangspunkt meiner Reise! Und ehrlich, ich habe es nicht bereut, dass ich am 29. Januar morgens mit dem Zug hin- und abends wieder zurückgefahren bin. Schön war dieser Ausflug ins asiatische Paris. Besonders ums chinesische Neujahr lohnt es einen Besuch und bringt Farbe in das Wintergrau.
Praktische Tipps für die Chinesische Neujahrsparade 2024 und das Quartier Asiatique in Paris
Chinesisches Neujahrsfest: Das 13. Arrondissement von Paris feiert das chinesische Neujahrsfest mit Veranstaltungen vom 8. bis 25. Februar 2024. Das neue Mondjahr steht im Zeichen des Holzdrachens. Höhepunkt ist die Parade am Sonntag, 18. Februar. Der Umzug startet um 14.30 Uhr, es macht aber Sinn schon gegen 12 Uhr dort zu sein und sich einen guten Platz zu sichern.
Anreise nach Paris: Mit dem Zug ab Deutschland in 3-4 Stunden (TGV oder ICE) zum Gare de L‘ Est (Süddeutschland) und Gare du Nord (West- und Norddeutschland)
Stuttgart, Frankfurt, Köln (über Brüssel) nach Paris ca. 3,5 h
Preise: Supersparpreis ab 39,90 €, Flextarif um 140 € einfach
Metro Paris:
Metroligne 5 ab Gare du Nord oder Gare de L ‚Est bis Place d‘ Italie (ca. 20 Minuten)
Einfache Fahrt: € 2,10
Tagesticket „mobilis“: € 8,45
Weitere Infos zur Metro Paris
Essen und Trinken:
Die Auswahl an asiatischen Restaurants ist riesig. Die Preise sind für Paris günstig.
Einkaufen:
Asiatischer Supermarkt Tang Frères
48 Avenue d‘ Ivry
Übernachten:
Boutique-Hotel des Beaux Arts, 2 Rue Toussaint-Féron, Paris
Habe ich beim Vorbeigehen entdeckt und sieht auf jeden Fall von außen ganz nett aus.