Paris hat die größte Chinatown von Europa. Zum chinesischen Neujahr findet im 13. Arrondissement immer eine große und farbenprächtige Parade statt. Begleite mich in die Straßen südlich vom Place d‘ Italie – dem Endpunkt der Metrolinie 5 in Paris.
Es ist Sonntag, der 29. Januar. Mit zwei Stunden Verspätung komme ich um halb eins im Gare de L‘ Est an und steige gleich in die Metrolinie 5 Richtung Place d‘ Italie. Zwanzig Minuten Fahrt und schon bin ich am Ziel. Der Place d‘ Italie grüßt mich wie ein alter Bekannter. Schließlich war ich schon öfter dort und habe die Viertel Buttes aux Cailles und Salpêtrière erkundet. Ich laufe das Halbrund ab und folge den Neujahrsfähnchen, die die Laternenpfähle schmücken…
Viele Menschen sind unterwegs und ich reihe mich einfach in den Strom der Passanten ein. Je weiter wir die Avenue de Choisy hinunterkommen, desto voller wird es. Vor den asiatischen Restaurants bilden sich lange Schlangen mit Wartenden. Sie wollen das Jahr des Wasserhasen mit einem leckeren vietnamesischen, thailändischen oder chinesischen Menü zelebrieren.
Die Neujahrsparade beginnt gegen 13:30 Uhr an der Avenue d’Ivry. Führt dann über die Avenue de Choisy und den Boulevard Massena, bevor sie zur Avenue d’Ivry zurückkehrt.
Chinesische Neujahrsparade in Paris
An der Kreuzung Rue de Tolbiac gibt es dann Stau, kein Durchkommen zu Avenue d‘ Ivry. Also versuche ich es um den Block herum und über die Rue de Beaudricourt. Pünktlich zum Beginn der Neujahrsparade schaffe ich es, bis zur sechsten Zuschauerreihe an der Avenue d‘ Ivry vorzudringen. Zum Glück sind die meisten Franzosen und Asiaten etwas kleiner als ich, sodass ich – wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle – über sie hinweggucken kann.
Die chinesische Neujahrsparade beginnt. Mit viel Trommelwirbel und Geböller kündigen sich die Drachentänzer an. Eine gelbe Drachenschlange windet sich über unseren Köpfen durch die Straße. Smartphones werden gezückt, alle Hände gehen hoch.
Ich wechsle noch einmal den Platz. Ein paar Meter weiter scheint die Sicht besser zu sein. Was für ein Geschiebe und Gedränge, „tout Paris“ ist auf den Beinen. Mir fällt auf, dass trotzdem alle Zuschauer sehr höflich sind, Rüpeleien gibt es nicht!
Bonne année
In diesem Jahre haben sich – nach drei Jahren Corona-Pause – mehr Gruppen denn je angemeldet. Der Umzug ist ein Spektakel der Farben. Gold, Gelb, Rot und Pink dominieren. Und immer wieder ertönt Trommelwirbel und Geböller. Bei besonderen Tänzen und Schwert-Vorführungen applaudieren die Zuschauer und rufen „Bravo“. „Bonne année santé“ schallt es zurück. Die älteren Männer schauen meist würdevoll und ernst, die jungen Mädchen lächeln freundlich. Als Laie kann ich kaum zuordnen, ob es sich um eine chinesische, vietnamesische , kambodschanische , tibetische oder mongolische Tracht handelt.
Auf jeden Fall ist diese Parade so bunt und schön wie der Karneval in Köln oder Mainz. Und doch ganz anders. Beim Karneval verkleidet man sich aus Spaß, mit diesem Defilée präsentieren die ethnischen Gruppen ihre vielfältige Kultur und würdigen ihre Herkunft und Wurzeln. Flucht und Immigration haben sie aus allen Teilen Asiens in den Pariser Süden gebracht. Das Quartier Asiatique im 13. Arrondissement ist zur zweiten Heimat geworden.
Les Olympiades – Hochhausarchitektur der Siebziger
Nach der chinesischen Neujahrsparade schlendere ich durch das Viertel und schaue mir die spezielle Hochhaus-Architektur von „Les Olympiades“ an. Ursprünglich wurden die Wohntürme, die Cortina, Helsinki, London und Mexiko heißen, in den 1970er-Jahren für junge, aufstrebende Franzosen gebaut. Die wollten hier aber nicht wohnen, also ließen sich in ihnen Immigranten aus den chinesischen Provinzen und die „Boatpeople“ aus Vietnam und Kambodscha nieder. Im Lauf der Jahre entstand das größte Chinatown Europas, im 13. Arrondissement leben über 200.000 Asiaten.
Hochhäuser schmücken auch die andere Seite der Avenue d‘ Ivry. An der Ecke Via d ‚ Esté habe ich dieses Mural entdeckt.
Gewusel und Gewimmel bei Tang Frères
Was beim Rundgang durchs chinesische Viertel nicht fehlen darf, ist ein Besuch bei Tang Frères. Die Brüder Tang betreiben den ältesten und größten asiatischen Supermarkt in Paris. Er befindet sich auf der Innenfläche eines der Hochhäusercarrées von Les Olympiades.
Der Eingang ist mit rosafarbenen Blüten und dem weißen Hasen geschmückt. Er ist an diesem Tag der Selfie-Point schlechthin. Und nach der Parade scheint jeder hier einkaufen zu wollen … so ein Gewusel und Gedränge herrscht im Markt.
Und dann die Waren: Drachenfrüchte, Kiwi, Bananen, Nashi-Birnen, drei lange Regalwände mit asiatischen Nudeln, auf der anderen Seite Gewürzsoßen. In den Kühlregalen türmen sich Plastikschachteln mit neonfarbenen, glibberigen Lebensmitteln und und an der Fischtheke liegt silbrig glänzendes Meergetier auf Eis. Allein das Umschauen macht Spaß, schließlich kaufe ich ein paar Neujahrskekse, eine Sojasoße, Litschis und gezuckerte Wasserkastanien. Die Kassiererinnen sind unheimlich flink und ich würde gern wissen, wie viel Umsatz sie allein an diesem Nachmittag machen. Die Tang Brüder sind ein Paradebeispiel für asiatische Geschäftstüchtigkeit. 1976 fing ihre Erfolgsgeschichte an, inzwischen betreiben sie über zehn Supermarkt-Filialen und sechs Gourmet-Imbisse in der Ille-de-France. Und wahrscheinlich auch deshalb sind sie der Hauptsponsor dieser chinesischen Neujahrsparade.
Was denn nun, Hase oder Katze?
Wieder auf der Avenue d‘ Ivry bewege ich mich langsam Richtung Place d‘ Italie zurück. Es sind immer noch viele Menschen unterwegs. Die Kinder laufen mit ihren Luftballons umher, die einen schmücken den Hasen (schließlich begrüßen wir das chinesische neue Jahr des Wasserhasen), die anderen zeigen Katzen. Warum denn das? Nun, für die Vietnamesen ist 2023 das Jahr der Katze, den Hasen kennen sie in ihrem Mondkalender nicht.
Thailändisches Bier und vietnamesische Suppe
Die Warteschlangen vor den Restaurants haben sich inzwischen gelichtet und so ergattere ich einen Platz im Restaurant Poh Dau Bo. Mit einem thailändischen Bier und einer vietnamesischen Poh-Suppe beschließe ich diesen Tag und trete gestärkt die Heimfahrt an.
Resumée
„Wenn ich schon nicht nach China reisen kann, dann schaue ich mir wenigstens die Neujahrsparade in Paris an.“ Dieser Gedanke war der Ausgangspunkt meiner Reise! Und ehrlich, ich habe es nicht bereut, dass ich am 29. Januar morgens mit dem Zug hin- und abends wieder zurückgefahren bin. Schön war dieser Ausflug ins asiatische Paris. Besonders ums chinesische Neujahr lohnt es einen Besuch und bringt Farbe in das Wintergrau.
Praktische Tipps für das Quartier Asiatique Paris
Anreise nach Paris: Mit dem Zug ab Deutschland in 3-4 Stunden (TGV oder ICE) zum Gare de L‘ Est (Süddeutschland) und Gare du Nord (West- und Norddeutschland)
Stuttgart, Frankfurt, Köln (über Brüssel) nach Paris ca. 3,5 h
Preise: Supersparpreis ab 39,90 €, Flextarif um 140 € einfach
Metro Paris:
Metroligne 5 ab Gare du Nord oder Gare de L ‚Est bis Place d‘ Italie (ca. 20 Minuten)
Einfache Fahrt: € 2,10
Tagesticket „mobilis“: € 8,45
Weitere Infos zur Metro Paris
Essen und Trinken:
Die Auswahl an asiatischen Restaurants ist riesig. Die Preise sind für Paris günstig.
Einkaufen:
Asiatischer Supermarkt Tang Frères
48 Avenue d ‚Ivry,
Übernachten:
Boutique-Hotel des Beaux Arts
Habe ich beim Vorbeigehen entdeckt und sieht auf jeden Fall von außen ganz nett aus.