Eine mystische Wanderung durch den herbstlichen Wald. Nass glänzende goldene Blätter heben sich gegen die milchig weiße Unschärfe ab. Bei Nebel und Regen schaffen wir es doch tatsächlich auf den Bussen und genießen den Blick über die Nebelschwaden hinweg bis zum Alpenrand.
HW 5
30. Oktober 2021 | Tag 19
11,0 Kilometer
neblig, Regen
7,0 Grad
Und dann verschluckt uns der Nebel. So ist es oft im Donautal, alles ist milchig weiß und die Hand vor den Augen kaum zu sehen. Doch das Navi bringt uns zuverlässig zum Ausgangspunkt, dem Soldatenfriedhof bei Hausen am Bussen. Wir wollen heute den heiligen Berg Oberschwabens, so wird der Bussen auch bezeichnet, erobern. Vor uns liegen elf Kilometer.
Zartweiß und golden
Wir wandern auf matschigen Forstwegen. Die geringe Sicht stört uns nicht. Nass glänzende goldene Blätter heben sich gegen die milchig weiße Unschärfe ab – ein schöner Kontrast. Die kühle, frische Luft tut gut und fordert so richtig zum Warmlaufen heraus.
Plötzlich steht da eine in der Mitte gespaltene Buche vor uns. Wahrscheinlich ein Blitzschlag. Die Baumkronen haben sich ineinander verhakt. Ralph warnt mich: „Bleib nicht drunter stehen, die kann jederzeit kippen.“ Unser Weg wird immer wilder, verwandelt sich in einen schmalen Pfad, der kaum zu erkennen ist. Alles wirkt sehr mystisch mit dem Nebel drumherum.
Viel Gestrüpp bei den Schwedenhöhlen
An den Schwedenhöhlen wären wir glatt vorbeigelaufen, wäre nicht das Hinweisschild gewesen. In den Höhlen sollen sich die Bewohner der angrenzenden Dörfer zu Kriegszeiten versteckt haben. Das erste Mal 1634, als die Schweden von Biberach her anrückten. Daher der Name. Alles was wir sehen, ist eine Mulde mit viel Gestrüpp drumherum.
HW 5 wo bist du?
Wir überqueren die Kreisstraße und kommen an einem Aufforstungsgebiet vorbei. Bis Dietelhofen sind es noch rund zwei Kilometer. Wir sprechen über Jean-Lucs 18. Geburtstag, was wir ihm schenken und wie wir ihn überraschen wollen. Eifrig diskutierend kommen wir am Friedhof in Dietelhofen an. Laut Karte müssten wir durch den Ort und dann Richtung Adershofen weitergehen. Doch wir finden keinen Hinweis für den HW 5, nur Wegweiser mit der gelben Raute. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns, der gelben Raute zu folgen.
Zu allem Unglück fängt es an zu regnen – erst leicht, doch schnell heftiger. So ein Mist, ich hatte gehofft, dass das Wetter bis abends hält und keine gescheite Regenjacke eingepackt.
Eine nette Autofahrerin nimmt uns mit
Also trotten wir im Regen die Landstraße entlang. Eigentlich müsste man die markante Bergkuppe des Bussen schon sehen. Doch der versteckt sich im Nebel und ist nur bei genauem Hinschauen zu erahnen. Dann hält ein Auto an und eine freundliche Mitsechzigerin fragt uns, ob wir auf den Bussen wollen und sie uns mitnehmen kann? Wir zögern nicht lange und steigen dankbar ein.
Mit dem Auto geht es verblüffend schnell. In fünf Minuten sind wir beim Offinger Friedhof direkt unter der Kirche. Und es hört doch tatsächlich auf zu regnen. Passt! Die letzten 100 Meter legen wir zu Fuß zurück. Und plötzlich befinden wir uns über dem Nebel. Es ist auch viel wärmer geworden. Das ist also eine typische Inversionswetterlage! Auf den Bergen klare Sicht und warm, unten Nebel und Regen. Eine lange Foto-Panoramatafel erläutert das Alpenpanorama.
Was es mit dem „Bussakindle“ auf sich hat
Der Bussen wird auch der heilige Berg von Oberschwaben genannt. Uralte Sagen von Riesen und verborgenen Schätzen ranken sich um den Bussen. Sehr wahrscheinlich reicht auch die Bitte um ein „Bussakindle“ auf eine alte Legende zurück. Georg Geiselhart, der letzte Köhler, hatte mir auf der Burg Derneck erzählt, dass junge Paare zum Bussen pilgern, wenn sie sich Kinder wünschen. Nun, aus dem Alter sind wir raus und das mit den Enkeln hat auch noch Zeit. Aber vielleicht ist ja etwas dran an diesem Fruchtbarkeitsglauben. Sicherheitshalber liegen im Eingangsbereich der Kirche schon einmal Infoflyer zur Schwangerschaft aus.
Man kann auf dem Schöpfungsweg um den Bussen spazieren und unterhalb der Kirche lädt eine Bank mit der netten Aufforderung „Hock a bissle na!“ zum Verweilen ein. Von der Kirche sind es ein paar Schritte bis vor zum Bergsporn, wo die ehemalige Burg Bussen stand. Dazwischen liegt ein schöner Platz, der für Gottesdienste im Freien genutzt wird. Der Bussen ist ein beliebter Wallfahrtsort.
Von der ehemaligen Burg ist nur ein Aussichtsquader übrig geblieben. Es lohnt sich, die paar Stufen hinaufzugehen. Die Aussicht ist phänomenal und noch besser, als vorne bei der Kirche. Ich hätte hier stundenlang stehen und zuschauen können, wie sich die Nebelschwaden ständig ändern. Die Magie des Ortes war gut zu spüren, wahrscheinlich auch, weil wir an diesem Samstag ganz allein hier oben waren. Gut dazu passt ein Gedicht von Mörike:
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen
Mörike, Eduard (1804-1875)
Am Sonntag war die Stimmung ganz anders. Doch davon später mehr. Vorher will ich dir noch erzählen, wie wir dann doch noch die richtige HW5-Strecke entdeckt haben.
Spurensuche HW 5
Es lässt uns keine Ruhe, wo wir den HW5 verpasst haben. Denn eigentlich ist der Weg ja immer perfekt ausgeschildert. Also machen wir uns mit dem Auto noch einmal auf Spurensuche und verfolgen den Weg zurück… In Möhringen entdecken wir schließlich eine Infotafel mit der richtigen Wegführung. Auf meiner Karte (Wanderkarte 1:35 000, Schwäbischer Albverein Blatt 31 Biberach Ehingen) war sie so noch nicht eingezeichnet! Deshalb stelle ich sie hier vor. Mit Pink habe ich gekennzeichnet, wo wir den HW 5 verloren haben und wie wir gewandert sind.
[…] Was für ein Kontrast zu gestern, als alles trüb und neblig war. Heute lugt die Sonne schon beim Aufstehen ins Zimmer und es verspricht ein wunderbarer Tag zu werden. Also halten wir uns nicht lange in der Jugendherberge in Biberach auf, sondern fahren nach dem Frühstück auf den Bussen. Um zehn Uhr sind wir dort. Noch hängt leichter Dunst vor der Alpenkette, aber es ist schon mächtig was los. Wir genießen noch einmal den schönen Ausblick und marschieren den Berg hinab Richtung Uttenweiler. […]