5 Tage Berlin, 5 Tage U5 – Berlinsplitter Tag 4

Raus nach Kaulsdorf, die Schlüsselsuche und der Abend in Friedrichshain

Wenn du mit Späti-Bier und Veggie-Burger auf der Modersohnbrücke den Sonnenuntergang anschaust, dann ist  Sommer in Friedrichshain. Das war der gelungene Abschluss eines aufregenden Tages in Berlin, der in Kaulsdorf beginnt und einige Nerven kostet. In diesem Bericht verrate ich dir, was alles am Tag 4 in Berlin passiert ist. Aus meiner Serie „5 Tage Berlin, 5 Tage U5“.

Kaulsdorf-Nord hat schon bessere Zeiten erlebt

Berlin U5
Kaulsdorf-Nord

Die Kaulsdorfer nehmen es mit Humor: Von Axer hingesprayt fragt da an der Wand der Unterführung eine ältere Dame mit schwäbischem Akzent: Is däs där Kudamm?

Na ja, das ist er offensichtlich nicht. Es ist die Cecilienpassage in Kaulsdorf und die ist schon reichlich in die Jahre gekommen. Da ist Rost an den Laternenpfählen, Unkraut wuchert und von den Wänden blättert der Putz. Die Patina gibt der U5-Station Kaulsdorf-Nord einen eigenen Charakter. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.

Der U5-Bahnhof Kaulsdorf-Nord wurde 1989 eröffnet (damals noch Albert-Norden-Straße). Er  erschließt das angrenzende Wohngebiet, eine typische DDR-Großwohnsiedlung der 1980er-Jahre. Die Anwohner nutzen die U5 als Pendlerlinie in die Stadt.

Fünf Sterne ***** für das CVJM-Gästehaus

Es gibt aber auch eine beschaulichere Seite von Kaulsdorf. Eine Viertelstunde Fußmarsch entfernt, befindet sich das CVJM-Gästehaus im alten Ortskern nahe dem S-Bahnhof. Die Zimmer sind schlicht und sauber, so wie ich es bei einem Hostel erwarte. Du überziehst dein Bett selbst, Handtücher bringst du mit oder leihst sie vor Ort aus. Nach dem Spaziergang mit Doreen bin ich platt und falle voller Eindrücke gegen elf ins Bett.

Sehr lecker und vielfältig ist die Auswahl beim Frühstück. Der Frühstücksraum ist hell und freundlich eingerichtet. Doch weil heute Morgen die Sonne lacht, mache ich es mir mit meinem Frühstückstablett draußen bequem. Seinen besonderen Charme bekommt das Haus für mich durch Frank Schreiber. Er ist der Chef „von‘ t Janze“ und kümmert sich mit echter Zuneigung um die Gäste, bereitet auch mal das Essen zu und sprüht nur so vor Plänen und Ideen. Nach dem Frühstück unterhalte ich mich mit ihm.

Er erzählt mir, was er und seine Teamkollegen aus dem Haus noch alles machen wollen. Im Moment wird ein neues Treppenhaus angebaut und der Dachausbau steht an. Frank Schreiber hat in seinen 30 Berufsjahren vom 1-Sterne- bis 5-Sterne-Hotel alles mal managen dürfen, aber dieses kleine Hostel hat seine wahre Leidenschaft geweckt: „Gerade weil es nicht profitorientiert ist und der Gast und Mitarbeiter wirklich an erster Stelle stehen und nicht die Rendite…“.

Netterweise überlässt er mir den Haustür-Schlüssel, damit ich meinen Koffer bis zum Abend abstellen kann und dann wieder ins Haus komme, weil ansonsten keiner mehr da sein wird… Meine Pläne für den Tag: Gegen Mittag bis zum Ende der Linie 5 fahren, anschließend den „Gärten der Welt“ einen Besuch abstatten und am Abend dann das Treffen mit Andrea in Friedrichshain.

Hönow, ist das das Ende der Welt?

Berlin U5
Hönow

Ist Hönow das Ende der Welt? Nun ja, auf jeden Fall das Ende der Linie U5 oder der Anfang, je nachdem, von welcher Seite du es  betrachtest. Hier noch einmal ein Foto vom gesamten Streckenverlauf:

Der Bahnhof Hönow befindet sich noch auf Berliner Gebiet, gehst du über die Straße, bist du in Brandenburg. Es ist nur eine Straße, aber sie trennt Welten. Nämlich Berlin von Brandenburg, das ist ähnlich brisant wie Schwaben und Baden oder Mainz und Wiesbaden…

Ich beschließe also, eine Kleinigkeit im Biergarten Hechtsee-Terrassen auf der Brandenburger Seite zu essen. Doch so weit kommt es erst gar nicht.

Die Schlüsselsuche

Beim Rumkramen im Rucksack fällt mir auf, dass der Schlüssel fehlt. Kennst du das? Erst bleibt man ruhig, dann wird man immer hektischer, durchforstet die Fächer und sucht verzweifelt… Das Ende vom Lied, ich bestelle nichts zum Essen, sondern fahre gleich zurück nach Kaulsdorf-Nord. Der Schlüssel muss wieder her.

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Kaulsdorf-Nord

Auf dem Bahnsteig hatte ich mir am Automaten ein Tüte mit Gummibärchen gekauft … ‚Vielleicht liegt ja der Schlüssel neben dem Automaten oder unter der Bank.‘ Leider Fehlanzeige, ich frage in der Bäckerei, im Döner-Laden und beim Asia-Imbiss nach, ob ein Schlüssel abgegeben wurde. Der Zugführer von der BVG winkt müde ab, „Machen Sie sich da mal keine Hoffnungen, ab morgen im Fundbüro nachfragen.“ Dann scanne ich den ganzen Weg zurück bis zum CVJM-Haus. Sehr kleinlaut rufe ich schließlich Frank Schreiber an… Der lacht nur und hilft mir umgehend weiter. Eine Kollegin von ihm schließt mir auf. Doch auch im Zimmer und im Koffer findet sich der Schlüssel nicht. Ich muss wohl den Ersatzschlüssel zahlen. Ärgerlich, aber immerhin habe ich jetzt meinen Koffer und kann nach Friedrichshain ins Hotel Almodóvar umziehen.

Kiezleben in Friedrichshain

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Samariterstraße

Um halb acht bin ich mit Andrea verabredet. Ich kenne sie vom Videodreh der Biohotels in Frankfurt und sie hat sich spontan bereit erklärt, mir ihr Friedrichshain zu zeigen. Andrea wohnt mit ihrem Freund und einem weiteren Mitbewohner in einer WG, Ecke Mainzer Straße/Boxhagener Straße. Ja, genau in dieser Mainzer Straße mit den ehemals besetzten Häusern, die Doreen schon erwähnt hat…

Echte Drinks ohne Alkohol

Auf meinen Schreck mit dem Schlüssel nehmen wir erst einmal einen Drink. Aber einen ganz besonderen! Dazu müssen wir nur die Boxhagener Straße ein Stück entlang laufen. Im Zeroliq, der ersten alkoholfreien Bar in Deutschland, bestelle ich einen Zeroligroni (mit not Gin, not Orange Bitter, not Vermouth und Orange), Andrea einen Gin&Tonic (ohne Gin mit Tonic Water und Basilikum). Enrico erklärt uns, dass die Drinkzutaten alle mit Alkohol hergestellt werden und dann in einem aufwendigen Verfahren der Alkohol destilliert und entzogen wird… Das Ergebnis ist wirklich frappierend echt im Geschmack! Wir sind uns einig, dass das nach vegan der nächste Trend wird.

Der Boxi (Boxhagener Platz), das Herzstück des Kiez

Das Leben in Friedrichshain spielt sich auf und rund um den Boxhagener Platz (Boxi) ab. Samstags ist Wochenmarkt und sonntags Flohmarkt. Als wir ankommen, sehen wir gerade noch die letzten Händler mit bepackten Lastenrädern und Karren wieder von dannen ziehen. Auf dem Rasen sitzen junge Leute und Familien und genießen den lauen Sommerabend. Andrea führt mich zur Linde bzw. zu dem, was von ihr übrig geblieben ist.

„Die ist im Februar abgebrochen vier Meter überm Boden. Nein, kein Blitzeinschlag, wahrscheinlich weil sie alt und krank war“, berichtet Andrea. „In den darauffolgenden Tagen haben viele Friedrichshainer Baumscheiben mitgenommen, um sich Möbel draus zu machen. Tische und Hocker, als Erinnerung an dieses Naturdenkmal. Später stand auch mal ein alter Ledersessel auf dem Baumstumpf und neuerdings ist er eingezäunt.“

In Friedrichshain isst man/frau vegan

„Tierhaltung, das will ich nicht mehr“, Andrea ernährt sich schon lange vegan und fühlt sich auch deshalb in Friedrichshain so wohl. Im Kiez gehört vegan zum guten Ton. Sie zeigt mir das 1990. Es ist eine Institution, weil es eines der ersten veganen Restaurants war und leckere vietnamesische Küche und Wohlfühlatmosphäre bietet.

Die Simon-Dachstraße lassen wir links liegen, „zu touristisch“, sondern wenden uns dem Kiezladen zu. Im Späti decken wir uns mit Bier ein und gehen dann um die Ecke, die Gärtnerstraße runter bis zum Yoyo. Der Fastfoodladen macht laut Andrea  mit die besten veganen Burger der Stadt. Bestens ausgestattetsteuern wir die Modersohnbrücke an.

Skyline View von der Modersohnbrücke

„Die Modersohnbrücke – das ist ein Spot,  zu dem man einfach hingeht, den Sonnenuntergang anschaut und das urbane Panorama genießt“, erklärt Andrea. Unten fahren die S-Bahnen, oben sitzen wir, essen die Burger (wirklich sehr lecker) und lassen den Blick in die Ferne schweifen. Andrea zeigt mir den EDGE-Tower und den Stream-Tower. Der Einzug von Amazon in den EDGE-Tower wird auf einem Transparent am Geländer kritisiert. Die Anwohner fürchten die weitere Gentrifizierung und protestieren gegen den Konzern. Der unverbaute Blick von der Brücke ist eine Wohltat. Und der schon beinahe kitschige Sonnenuntergang lässt mich wehmütig werden: Morgen ist mein letzter Tag in Berlin. Dankbar bin ich, für alles, was ich bis dato in Berlin erlebt habe und für die Hilfsbereitschaft von Frank Schreiber.

 

5 Tage Berlin, 5 Tage U5

 

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