Ich stehe an der Straßenkreuzung HaMoshavot-Square. Hier kreuzen sich die Allenby Street, Jaffa Road, HaHashmal Street und HaAliya Street. Bis zum Rotschild Boulevard sind es nur noch ein paar Schritte. Die Kreuzung zählt wochentags zu den meist befahrensten in Tel Aviv. Doch heute Morgen ist es ganz ruhig: keine Autos, keine Busse, kaum Menschen.
Der Sabbat, auch Schabbat oder Schabbes genannt bedeutet Ruhetag. Ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Er dauert von Sonnenuntergang am Freitag bis zum Eintritt der Dunkelheit am folgenden Samstag.
Es ist Shabbat. Und weil nach jüdischem Glauben an diesem Tag keine Arbeit verrichtet werden darf, fahren die öffentlichen Busse nicht. Den Weg hierher bin ich zu Fuß gelaufen, quer durch Florentin und am Levinsky Markt vorbei. Das war schon eigenartig, denn dort wo gestern die Läden mit Gemüse, Gewürzen und Oliven überquollen war heute alles geschlossen und menschenleer. Ich laufe auch noch die restlichen paar Meter die Allenby Street hoch und komme am Rothschild Boulevard an.
Doch was soll ich tun an diesem Samstag in Tel Aviv, an dem es auch in der sonst so quirligen Stadt, gemächlicher zugeht als sonst? Begleite mich durch den Tag und nimm diese 5 Tipps für den Shabbat in Tel Aviv mit.
Tipp 1: Ausgiebig Frühstücken
Zum Glück hat der Kaffee-Kiosk am Rothschild Boulevard geöffnet. Den steuere ich erst einmal an, genieße einen wunderbar cremigen „Cafe Hafuch“, die israelische Variante des Cappuccino, und ein Mandelhörnchen. Aus den Lautsprechern ertönt chillige Musik, die Luft ist noch ganz frisch – alles ist total friedlich. Nur ein paar Meter entfernt, im Haus Nr. 29 befindet sich das Benedict. Das Lokal serviert rund um die Uhr ein fantastisches Frühstück und hat es mit seinem von 24/7 Konzept schon zu Filialen in Berlin gebracht. Die Schlange am Eingang ist mega lang und hält mich schließlich davon ab anzustehen. Wer also hier am Shabbat brunchen möchte sollte unbedingt vorher reservieren. Eine weitere angesagte Frühstücks-Location in der Nähe ist das Da, Da & Da, Rothschild Blvd 7.
Tipp 2: Flanieren auf dem Rothschchild Boulevard
Flanieren auf dem Rothschild Boulevard ist eine prima Beschäftigung am Shabatt. Der Boulevard ist quasi das, was die Champs-Élysées für Paris und der Newskij Prospekt für St. Petersburg sind. In der Mitte der Prachtmeile verläuft ein breiter Grünstreifen mit getrennten Fußgänger- und Radwegen. Das ist auch gut so, denn die vielen E-Bike- und und E-Scooter-Fahrer nehmen ganz schön Fahrt auf und keinerlei Rücksicht auf die Spaziergänger. Doch auf dem Fußgängerweg bist du sicher und im Schatten der Feuerakazien (Flammenbäume) lässt es sich prima aushalten. Genießen, picknicken, sehen und gesehen werden lautet das Motto des Tages. Der Boulevard ist rund 1,5 km lang und verläuft von Neve Tzedek bis zum Nationaltheater am Habima Square. Die Straße ist geschichtsträchtig: Am unteren Ende im Haus Nr. 16 (Independence Hall) hat der spätere Premierminister David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeit des Staates Israel ausgerufen.
Tipp 3: Bauhaus-Führung mitmachen
Hättest Du es gewusst? Die größte Ansammlung von Häusern im Bauhaus-Stil befindet sich in Tel Aviv. Insgesamt sind es über 4.000 Gebäude, deshalb wird Tel Aviv auch „The White City“ genannt und steht seit dem Jahr 2003 auf der Unesco-Liste der Weltkulturerbe. Jeden Samstagvormittag bietet das Tourist Office um 11 Uhr eine kostenfreie Tour durch die „Weiße Stadt“ an. Die Tour startet an der Ecke Rothschild Boulevard/Shadal Straße. Ich habe sie mitgemacht und sehr viel Interessantes über den Baustil und die Stadtentwicklung erfahren! Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Tipp 4: Am Strand vergnügen
Tel Aviv ohne Strand ist undenkbar – das macht die Stadt ja auch so lässig. Der Stadtstrand erstreckt sich über rund 14 Kilometer und ist in verschiedene Abschnitte unterteilt. Vom Rothschild Boulevard sind es nur ein paar Schritte zum Jerusalem Beach. In diesem Jahr ist die neue Strandpromenade fertig geworden. Umkleiden, Duschen, Sonnenschutzdächer – alles ist sehr schick und sauber. Am Strand lässt sich prima das israelische Familienleben studieren. Hier kommen ganze Familienclans mit Kind und Kegel zusammen. Man sitzt unter Sonnenschirmen in Liegestühlen, genießt die mitgebrachten Köstlichkeiten, plaudert über Neuigkeiten und Familiengeschichten. Väter spielen mit ihren Söhnen Matkot, das ist so eine Art Strandtennis und der heimliche Nationalsport in Tel Aviv. Das Klack-Klack der Bälle auf den harten Schlägern gehört am Tel Aviver Strand einfach dazu. Kurz nach sechs am Abend ist allgemeine Aufbruchstimmung, ich schließe mich an, denn ich will ja auch noch schick essen gehen…
Tipp 5: Essen gehen
Wobei ich das Wort schick gleich wieder aus dem Repertoire streiche, denn zum Ausgehen in Tel Aviv muss man sich nicht aufbrezeln – wie schon erwähnt die Stadt ist sehr lässig. Meine Gastgeberin Renata hatte mir das Ha‘ achim (Die Brüder) empfohlen. Und ich werde auch nicht enttäuscht – jetzt ist es neun, der Laden ist brechend voll und ich werde erst einmal mit einem Cocktail vertröstet bis ein Platz an der Theke frei wird. Dass ich reserviert hatte ging wohl irgendwo unter, doch alle Bedienungen sind so herzlich und nett… Viele Einheimische sind hier, alles ist ungezwungen und ich genieße mein Lammgericht und die gegrillten Artischocken. Auch wenn man als Frau allein unterwegs ist, kommt man sich hier nicht blöd vor, sondern findet schnell Anschluss und kann vom Platz an der Theke das Treiben beobachten.
So gegen elf mache ich mich auf den Heimweg, die ersten Busse fahren schon wieder, doch meiner ist noch nicht dabei, also nehme ich das Taxi und lasse mit Renata auf dem Balkon den Tag ausklingen… Die Alternative wäre gewesen, sich ins Nachtleben zu stürzen, doch das hebe ich mir für den nächsten Besuch auf.
Fazit: Was meinst du? Der Shabatt in Tel Aviv hat doch auch viel Ähnlichkeit mit dem Sonntag in Berlin, München, Hamburg oder Stuttgart? Leider scheint bei uns nicht so oft die Sonne, und wo bitte geht es zum Strand?