„Oh, wie schön!“ – Kloster Maulbronn

Eine ganz besondere Führung bei Kerzenschein und ein Spaziergang mit Hermann Hesse bis zum Tiefen See

Das Zisterzienserkloster Maulbronn ist UNESCO-Welterbe. Zu Recht, wie ich finde.  Ich wohne nur ein paar Autominuten entfernt und spaziere regelmäßig auf dem Rundweg MB 5 um das Kloster und weiter bis zum Tiefen See. Ein ganz besonderes Erlebnis sind im Winter die Kerzenscheinführungen. Dabei tauchst du ins mittelalterliche Klosterleben ein und  nimmst viel Stimmung und Atmosphäre mit.

Wenn es Nacht wird im Kloster…

Kloster Maulbronn ist schon seit 30 Jahren UNESCO-Weltkulturerbe.

Wie lebten die Mönche im Kloster Maulbronn, damals im 12. Jahrhundert, als es noch keinen Strom und keine Heizung gab? Hast du dich das auch schon einmal gefragt? Nun, nach dieser Führung würde ich sagen: „Ziemlich einfach, schlicht und im Winter war es sehr, sehr kalt.“

Doch der Reihe nach – unsere Gruppe versammelt sich um 17 Uhr im Paradies vor der Klosterkirche. Die Klosterführerin hält die Tür auf und bittet uns, in den Bänken Platz zunehmen. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Ich spüre die Holzbank und schaue in die flackernden Kerzen. Dann ertönen gregorianische Gesänge. Wow, was für ein Auftakt. Spätestens jetzt bin ich im mittelalterlichen Kloster Maulbronn angekommen.

„Jahrhundertelang saßen in diesen Bänken die Laienbrüder des Zisterzienserordens und hörten so, wie Sie die Herrenmönche auf der anderen Seite singen“, erklärt die Klosterführerin. „Das Leben der Laienbrüder war strikt von dem der Mönche getrennt, auch in der Kirche.“

„Ora et labora“ – bete und arbeite

Die Ursprünge der Zisterzienserabtei liegen im Mittelalter. Die geweihten Mönche beteten, schliefen und aßen von den Laienbrüdern getrennt.

Es waren Zisterziensermönche, die Mitte des 12. Jahrhunderts das Kloster gründeten und über 400 Jahre den Ort Maulbronn prägten. Nach dem Leitspruch „Ora et labora“ widmeten sich die Herrenmönche hauptsächlich den Gebeten und religiösen Studien, während die Laienbrüder auch dafür sorgten, dass es genug zu essen und zu trinken gab und sich der Orden selbst versorgen konnte. So entstand im Laufe der Jahrhunderte eine richtige Klosterstadt mit Wirtschaftsgebäuden, Weinbergen, Wasserläufen und Teichanlagen, deren Herz die Kirche ist.

Als nächstes bewundern wir in der gegenüberliegenden Priesterkirche (Herrenchor) das wertvolle Chorgestühl aus dem 15. Jahrhundert. Aber ehrlich, so richtig gemütlich sehen deren Holzbänke auch nicht aus, man lehnte sich wohl eher an, als dass man saß. Der Weg führt weiter zum Kapitelsaal, Kreuzgang, Parlatorium, Brunnenhaus und Refektorium. 300 Kerzen beleuchten unseren abendlichen Rundgang, und mit jedem Schritt tauchen wir tiefer in das einfache klösterliche Leben im Mittelalter ein.

Nur ein Raum war beheizt

Da es im ganzen Kloster nur einen einzigen beheizbaren Raum gab, war der Alltag der Mönche besonders in den Wintermonaten voller Entbehrungen. Und sehr kalt. Eine gute Stunde dauert diese besondere Führung bei Kerzenschein. Wir nehmen viel Atmosphäre mit und so manche Anekdote, die sich rund ums Kloster rankt. So lauschen wir im ehemaligen Speisesaal der Legende über Bruder Jakob, der die Maultaschen erfunden haben soll und erfahren die Geschichte um die Namensgebung des Elf-Finger Weins.

Als wir uns wieder dem Ausgang nähern, schneit es. Alle Teilnehmer sind froh, dass sie sich jetzt  in den warmen Räumen der Klosterinformation aufwärmen können. Bei Glühwein und Punsch diskutieren wir, ob die Mönche wohl auch schon ihren Wein erwärmten und würzten? Alle fanden die Kerzenschein-Führung beeindruckend, auch wenn man nicht so viel sieht wie bei Tag!

Auch ich emfehle sie dir wärmsten – beschert sie dir doch einen besinnlichen Moment im Advent.

Termine Kerzenscheinführungen 2023

Samstag, 2. Dezember 2023
Freitag, 8. Dezember 2023
Freitag, 15. Dezember 2023
Samstag, 16. Dezember 2023
Freitag, 22. Dezember 2023
Mittwoch, 27. Dezember 2023
Freitag, 29. Dezember 2023

Jeweils um 17 Uhr und 18.30 Uhr.

Infos: www.kloster-maulbronn.de

Reformation: Das katholische Kloster wird evangelisch

Das klösterliche Leben der Zisterzienser endet mit der Reformation. Im Jahr 1556 richten die württembergischen Herzöge in der ehemaligen Abtei ein evangelisches Internat ein. Die Bildungseinrichtung besteht noch heute. Zu ihren berühmtesten Schülern zählen Johannes Kepler, Friedrich Hölderlin und Hermann Hesse.

Hermann Hesse und Maulbronn

Obwohl Hermann Hesse als 14-Jähriger nur wenige Monate im „Evangelischen Seminar Maulbronn“ verbrachte, prägten diese Erfahrungen sein literarisches Werk bis zum Lebensende. Das Kloster kommt in seinen Werken „Unterm Rad“,  „Narziss und Goldmund“ und dem „Glasperlenspiel“ vor.

Begleite mich auf einen Rundgang ums Kloster Maulbronn. Statt selber zu beschreiben, was zu sehen ist, zitiere ich Hermann Hesse aus seinen Briefen und dem Werk „Unterm Rad“. Seine Beschreibungen haben bis heute Gültigkeit, denn es hat sich wenig geändert.

„Im Nordwesten des Landes liegt zwischen waldigen Hügeln und kleinen stillen Seen das große Zisterzienserkloster Maulbronn. Weitläufig, fest und wohl erhalten stehen die schönen alten Bauten und wären ein verlockender Wohnsitz, denn sie sind prächtig, von innen und außen, und sind in den Jahrhunderten mit ihrer ruhig schönen, grünen Umgebung innig zusammengewachsen. Wer das Kloster besuchen will, tritt durch ein malerisches, die hohe Mauer öffnendes Tor auf einen weiten und sehr stillen Platz.“ (Hesse, Hermann: Unterm Rad. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1970, 13. Aufl., S. 53).

Zisterzienserkloster Maulbronn

Die Vorhalle der Klosterkirche, auch Paradies genannt, ist ein Meisterwerk. Es zählt zu den schönsten Räumen der Frühgotik und zu den bedeutendsten architektonischen Zeugnissen in Maulbronn.

„Ein Brunnen läuft dort, und es stehen alte ernste Bäume da und zu beiden Seiten alte steinerne und feste Häuser und im Hintergrunde die Stirnseite der Hauptkirche mit einer spätromanischen Vorhalle, Paradies genannt, von einer graziösen, entzückenden Schönheit ohnegleichen. Auf dem mächtigen Dach der Kirche reitet ein nadelspitzes, humoristisches Türmchen, von dem man nicht begreift, wie es eine Glocke tragen soll. Der unversehrte Kreuzgang, selber ein schönes Werk, enthält als Kleinod, eine köstliche Brunnenkapelle; das Herrenrefektorium mit kräftig edlem Kreuzgewölbe, weiter Oratorium, Parlatorium, Laienrefektorium, Abtwohnung und zwei Kirchen schließen sich massig aneinander. Malerische Mauern, Erker, Tore, Gärtchen, eine Mühle, Wohnhäuser umkränzen behaglich und heiter die wuchtigen alten Bauwerke. Der weite Vorplatz liegt still und leer und spielt im Schlaf mit dem Schatten seiner Bäume…“  (Hesse, Hermann: Unterm Rad. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1970, 13. Aufl., S. 53).

Der Tiefe See

Fleisch war den Zisterziensern verboten, Fisch erlaubt. Sie legten ein einzigartiges Teichsystem an.

„Ein andrer Platz ist am ‚tiefen See‘. Dieser, nur von kleinen Hügeln umgeben, ist wie ein Spiegel. (…)
Bei schwachem Wind zuckt es blitzartig über den See und kleine Wellen schlagen flammenartig herauf.“  (Hesse, Hermann: Brief im Herbst 1891 an seine Eltern)

Der Rundweg MB5

Ob mit den Worten von Hesse oder einfach so – ein Spaziergang ums Kloster ist immer wunderschön. Bei der Rundwanderung MB 5  erlebst du, wie weitläufig und einzigartig die Klosteranlage ist. Der Spazierweg führt vom Friedhof einmal oben entlang durch den Wald bis zum Tiefen See, umrundet ihn und führt unten direkt an der Klostermauer zurück zum Friedhof. Schöne Einblicke hast du von der Klostermauer in den Hof. Es lohnt, vom Tiefen See die Heilbronner Straße weiter bis zum Schafhof zugehen.

Der Schafhof

Der Schafhof ist der ehemalige Wirtschaftshof des Klosters. Er liegt nur wenige Meter östlich der Zisterzienserabtei auf dem Plateau eines klösterlichen Steinbruchs. Im Mittelalter avancierten die Zisterzienser zu den wichtigsten Wollproduzenten Europas. Heute beherbergt der Hof ein Heimatmuseum und zeigt die „10 Maulbronner Köpfe“, Büsten bekannter ehemaliger Klosterschüler, darunter Hermann Hesse, Johannes Kepler und Friedrich Hölderlin.

Kloster Maulbronn – alle praktischen Infos im Überblick

Parken Parkplätze ausgeschildert rund ums Kloster
Anreise mit Öffis An Sonn- und Feiertagen mit dem „Freizeitexpress Kloster Maulbronn“: umsteigefrei von Tübingen, Horb, Calw, Pforzheim nach Maulbronn; von Stuttgart und Ludwigsburg mit einmaligem Umstieg.
Top Klosteranlage UNESCO-Weltkulturerbe
Einkehrmöglichkeiten Wagnerhaus Café, sehr leckere Kuchen
Restaurant Klosterkatz, Maultaschen probieren
Sonstiges Klosterhof und Paradies sind frei zugänglich. Das Kloster ist im Winter Die-So und feiertags von 10 bis 16.30 Uhr geöffnet. Im Sommer täglich von 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr.
Es gibt Standard- und Sonderführungen.
Sehr stimmungsvoll ist auch der Oster- und Adventsmarkt im Klosterhof. Besonders sind auch die Klosterkonzerte.
Infos Kloster Maulbronn
Rundweg MB 5 Start: Parkplatz am Alten Friedhof/Skulpturenweg; Kloster Maulbronn, Badesee Tiefer See auch sehenswert: Schafhof
Länge 1,9  bis 2,5 km (mit Schafhof), Schwierigkeit: leicht

Besuchst du auch so gerne Klosteranlagen?  Schreib mir, ich freue mich auf deine Kommentare.


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